Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
unser Auftrag!«
»Bleib ruhig hier, ich bin gleich wieder zurück«, entgegnete ich und huschte nach unten. Wenig später spürte ich Jared hinter mir.
»Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dich allein gehen lasse.«
Während wir leise die Wendeltreppe hinunterstiegen, klang mir das Raunen des Windes wie die Schreie von Folteropfern in den Ohren. Waren das die Geister jener, die hier für ihren Glauben hatten sterben müssen? Oder narrte mich mein Verstand mit der Erinnerung an die Schreie der Leute meines Dorfes, denen die Missionare das Christentum mit Schwert und Feuer beibringen wollten?
Schritte vertrieben die Erinnerung. Jared und ich drückten uns in die Schatten. Wenig später tauchten die Wächter auf. Im Gegensatz zu ihren Kameraden draußen wirkten sie ausgeruht und wachsam, so als wären sie gerade erst ihren Lagern entstiegen. Mochte es dem Burgherrn egal sein, was auf dem Hof geschah, seine persönliche Sicherheit war ihm offenbar sehr wichtig.
Nachdem die Männer an uns vorbei waren, schlichen wir zur erstbesten Tür auf unserem Weg. Dahinter befand sich eine Art Schreibzimmer, in das wir sogleich hineinschlüpften. Der Raum überraschte mich. Waren die Waffen imTurm auch vernachlässigt worden, hier herrschte Ordnung. Auf einem massiven Pult lagen ein paar Schriftrollen, deren Siegel im Luftzug der Tür leise schaukelten.
Nachdem Jared die Tür lautlos verschlossen hatte, huschte ich zum Pult. Der Hausherr oder zumindest sein Schreiber musste hier noch bis vor Kurzem zu tun gehabt haben, denn in der Esse glomm immer noch etwas Feuer. Da die Fenster dem freien Gelände jenseits des Hügels zugewandt waren und ich nicht befürchten musste, von den Wachen entdeckt zu werden, ging ich zur Esse, entzündete an der Glut einen Holzspan und trug diesen zu der Kerze auf dem Pult. Knisternd fing der Docht Feuer, dann breitete sich ein verwaschener Lichtschein auf dem Pult aus. Eine der Schriftrollen war noch ausgebreitet, eine weitere nachlässig zusammengerollt. Diese nahm Jared an sich, während ich mich über das offen daliegende Pergament beugte.
Recht schnell ging uns auf, dass es sich bei den Schreiben um Anweisungen des Königs an seinen Vasallen de Lévis handelte.
»Was für eine hässliche Schrift«, flüsterte Jared, während er sich bemühte, die Buchstaben zu entziffern.
»Nicht jeder ist in der Kalligrafie so bewandert wie du«, entgegnete ich, während ich las, dass der König de Lévis auftrug, die Burg als Bollwerk gegen die Ketzer wieder zu errichten.
»Das ist es!«, zischte ich. »Hier steht es. In dieser Burg soll nach Beendigung der Bauarbeiten ein königliches Heer stationiert werden, das gegen die Ketzer vorgehen soll.«
Jared riss mir das Schreiben beinahe aus der Hand und las dann selbst.
»Wer weiß, was in diesen Rollen noch so drinsteht. Wir sollten sie mitnehmen.«
Jared machte große Augen. »Unmöglich!«
»Warum? Sayd wird es begrüßen, wenn wir ein Beweisstück haben.«
»Sayd wird dir die Ohren lang ziehen!«, gab Jared zurück. »Was, meinst du, wird wohl passieren, wenn der kleine Spitzel dieses Parfait oder einer von Azièmes Männern in unserem Quartier herumschnüffelt und das hier findet? Dann wird man uns für Spione des französischen Königs halten!«
Das hatte ich außer Acht gelassen.
»Na gut, lassen wir sie hier.« Ich platzierte die Schriftrolle wieder auf dem Pult. Die leichte Verschiebung hätte auch der Wind, der durch die Fensterläden pfiff, gemacht haben können.
Allerdings dachte ich noch nicht daran, wieder zur Treppe zurückzukehren. Wann würde sich schon wieder die Gelegenheit bieten, in dieser Burg umherzustreifen?
»Was denn noch?«, flüsterte Jared unbehaglich, als ich die entgegengesetzte Richtung einschlug.
»Wenn ich schon die Schriftrollen nicht mitnehmen kann, will ich mir diesen de Lévis ansehen. Für alle Fälle.«
»Meinst du nicht, dass du den Bogen jetzt doch überspannst?«
»Wenn es zum Kampf kommt, will ich wissen, wer ihr Anführer ist. Wenn wir der Schlange den Kopf abhacken, kann der Rumpf den Opfern nichts mehr tun.«
»Aber du hast doch keine Ahnung, wo er schläft und ob er überhaupt da ist!«
Bevor ich etwas entgegnen konnte, klirrte Metall. Die Wachposten kehrten zurück. Ich blickte zu Jared, dann verschwanden wir im Schatten. Die Männer kamen uns diesmal so nahe, dass ich den Schweiß unter ihren Rüstungen riechen konnte. Als sie vorbei waren, huschten wir in den fackelbeleuchteten Gang. Stimmen
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