Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
waren hier nicht zu vernehmen, wohl aber lautes Schnarchen.
Als ich die Tür öffnete, erblickte ich ein schweres Himmelbett, in dem gut drei oder vier Menschen Platz gefunden hätten. Unter Decken und Wolfsfellen schlief de Lévis. Auf dem Arm, der auf der Decke lag, entdeckte ich Tintenflecke, die sich bis auf sein Hemd ausbreiteten. Unwillkürlich musste ich lächeln, denn auch Jared sah manchmal so aus. Mit seinen wenig markanten Gesichtszügen wirkte de Lévis nicht wie der geborene Anführer, sondern wie jemand, der seine Soldaten lieber vom Schreibpult aus lenkte. Da Sayd uns aber immer wieder einschärfte, keinen Gegner zu unterschätzen, prägte ich mir seine Gesichtszüge genau ein und beugte mich dann über sein Ohr. »Sollte dir in den Sinn kommen, Unschuldige zu töten, werde ich dein Blut nehmen«, flüsterte ich, dann richtete ich mich wieder auf.
Jared sah mich entsetzt an. »Laurina, bist du …« Ich legte meine Hand auf seinen Mund. Der Burgherr schlief selig weiter, aber vielleicht hatte sein Verstand meine Drohung wahrgenommen.
»Lass uns gehen, bevor er noch wach wird.«
Auf dem Rückweg kam uns noch einmal eine Wache entgegen, der wir allerdings entgingen, indem wir schneller, als es ihr Auge fassen konnte, zur Treppe hin verschwanden. Über das Waffenzimmer gelangten wir ins Turmzimmer, dann kletterten wir wieder durch die Schießscharte. Den Abstieg machten wir uns leicht, indem wir direkt über die intakte Mauer nach unten kletterten. Im Schutze des Waldes gelangten wir schließlich zu den Pferden.
Als wir die Burg schon ein Stück hinter uns gelassen hatten, ließen wir die Pferde langsamer laufen. Jared lenkte seinen Braunen neben mich.
»Laurina, ich …«
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Ja?«
Jared presste die Lippen zusammen, als wollte er die Worte daran hindern, herauszuströmen.
»Was ist denn? Sag es ruhig!«, ermunterte ich ihn. Bisher war er nie schüchtern gewesen.
»Diese Giselle«, begann er. »Meinst du, ihr Vater hat schon einen Bräutigam ausgesucht?«
Diese Frage hatte ich am wenigsten erwartet. »Warum interessiert dich das?«
»Weil …« Er überlegte kurz, dann fuhr er fort: »Weil es mir nicht gefallen würde, wenn er sie gegen ihren Willen verheiratet. Zumal das in ihren Augen eine Sünde ist …«
Meine Verwunderung wurde noch größer. Was ging es ihn an, ob Giselle d’Azième heiraten musste oder nicht? Letztlich war es das Schicksal beinahe jeder sterblichen Frau.
»Wenn du mich fragst, ist die Ansicht, dass Ehe und das Gebären von Kindern Sünde sind, glatter Unsinn«, entgegnete ich. »Giselle wird ganz sicher irgendwann heiraten müssen und sie wird auch Kinder bekommen. Du hast gehört, dass ihre Seele danach immer noch gereinigt werden kann. Außerdem, woher sollten die Katharer sonst weitere Gläubige bekommen?«
Jareds Miene verschloss sich. »Lass uns lieber verschwinden, bevor es Morgen wird. Du hast gehört, was Sayd gesagt hat.«
Ich nickte und folgte ihm.
Als wir kurz vor Tagesanbruch auf das Gut zurückkehrten, lag noch alles in tiefem Schlaf. Nicht einmal die Hunde bekamen unsere Rückkehr mit.
Wir führten die Pferde in den Stall und sattelten sie ab.
»Wie ist die Lage in Montsegur?«, flüsterte eine Stimme.
Es war nicht so, dass ich erschrak, denn ich erkannte die Stimme sofort. Es überraschte mich nur, sie hier zu hören.
Wenig später schwang sich Sayd über einen Balken nach unten.
»Hast du die ganze Zeit auf uns gewartet?«, fragte ich, während ich mein Pferd mit einer Handvoll Stroh abrieb.
»Ich dachte mir, es könnte nicht schaden, ein Auge auf den Hof zu haben.
»Hat uns jemand nachspioniert?«
»Nein, ich habe niemanden bemerkt.«
»Und wenn es jemand versucht hätte?«
Sayds Zähne blitzten im Mondschein auf. »Dann hätte ich ihn überredet, es bleiben zu lassen.«
Ich wollte gar nicht wissen, auf welche Weise, und war erleichtert, dass Azième so vernünftig war, uns nicht während der ganzen Zeit beobachten zu lassen.
»Laurina hat de Lévis geflüstert, dass er sich ja nicht mit ihr anlegen soll«, petzte Jared, woraufhin ich ihm einen giftigen Blick zuwarf.
»Das Flüstern einer Lamie dringt vor bis in den Geist eines Sterblichen und schafft es zuweilen, seinen Sinn zu ändern«, sagte Sayd, anstatt mich zu schelten. »Manche behaupten, dass sie die Macht hat, einen Menschen zu sich zu locken oder in den Tod zu treiben. Sei vorsichtig bei dem, was du einem Menschen einflüsterst.« Er streckte
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