Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
anderes erzählt?«
Gabriel hatte ich in das Geschehene eingeweiht. Nur Jared wusste noch nicht, dass das Mädchen, das er begehrte, besondere Fähigkeiten besaß. Oder etwa doch?
Umständlich wusch Jared sich das Gesicht. Brauchte er so dringend Abkühlung?
»Nur, dass sie sich gewundert hat, wie gut du klettern kannst. Und dass sie sich freut, weil es dem Jungen wieder besser geht.«
Sie hatte ihn also nicht eingeweiht? Das wunderte mich. Aber vielleicht fürchtete sie, ihn durch ihre Gabe abzustoßen.
Ich rang mit mir. Sollte ich es ihm sagen? Ich blickte zu Gabriel. In stummer Übereinkunft beschlossen wir, es nichtzu tun. Nicht jetzt. Wenn Sayd zurückkehrte, war immer noch Zeit dazu.
Nachdem er sich gewaschen hatte, schlüpfte er in ein frisches Hemd und trat dann an meinen Tisch.
»Du solltest besser schreiben, als ständig mit Gabriel zu schwatzen«, murrte er, während er das halb beschriebene Blatt betrachtete.
Gabriel zwinkerte mir zu, dann brach er zu einem kleinen Rundgang auf.
Dunkelheit legte sich wie ein schützendes Tuch über die kleine Ortschaft Montaillou. Schon sahen sie das Kastell am Fuße des Gebirges aufragen wie einen schwarzen Dolch. Nicht mehr lange und sie würden am Ziel sein.
Sayd, der hinter der Kastellanin und dem Parfait ritt, entging nicht, dass Beatrice de Planisolles beinahe sehnsuchtsvoll zum Kastell schaute.
»Ihr denkt an Euren Gemahl?«, fragte er, während er sein Pferd neben sie lenkte.
Beatrice sah ihn eindringlich an. »Ich sage doch, Ihr könnt Gedanken lesen.«
Sayd schüttelte den Kopf. »Nein, ich kenne nur den Blick des Sehnsüchtigen. Er ist unterwegs, nicht wahr?«
Beatrice seufzte. »Ja … und es gibt keinen Augenblick, in dem ich ihn nicht vermisse. Er ist ein guter Mann.«
»Weiß er von Euren Bestrebungen, einen anderen Glauben anzunehmen?«
Beatrice schüttelte den Kopf. »Deshalb bin ich auch nur dann in Ax, wenn er nicht da ist.«
Als Sayd den Blick wieder nach vorn richtete, kam ihm in den Sinn, was Laurina erzählt hatte. Ein Mädchen mit Heilkräftenwar gefährdet – vielleicht sogar durch die Katharer selbst? Wie würden sie reagieren, wenn sie es erfuhren? Und was würde Berenger de Roquefort Beatrice antun, erführe er, was sie anstrebte?
»Wir sind da!«
Der Ruf des Parfait riss Sayd aus seinen Gedanken. Vor ihnen erhob sich ein Haus in der Dunkelheit. Nur in einem Fenster brannte noch Licht.
Sayd vernahm leise Stimmen aus dem Innern, als er sein Pferd anleinte.
»Sollen wir es wirklich machen?«, fragte eine ängstliche Frauenstimme. »Du hast gehört, was der Medikus gesagt hat.«
»Er wird sterben, das ist sicher«, erwiderte eine Männerstimme ebenso leise. »Wenn nicht heute, dann morgen oder an einem anderen Tag. Für seinen Zustand gibt es keine Rettung mehr. Du willst doch nicht, dass er stirbt, ohne das Consolamentum erhalten zu haben? Auf ewig wäre seine Seele in seinem Körper gefangen.«
»Gehen wir«, hörte Sayd neben sich. Der Parfait und Beatrice näherten sich der Tür. Sayd trat hinter ihnen ein wie ein Leibwächter. Ein saurer Geruch schlug ihm entgegen. Im schwachen Lichtkreis eines Kerzenleuchters erblickte er das Krankenlager. Die Haare des Mannes, von dem nur Kopf, Schultern und Arme unter dem Betttuch hervorschauten, waren schneeweiß und schütter. Das Leiden hatte tiefe Spuren in sein Gesicht eingegraben, die Augen waren in die Höhlen eingesunken. Obwohl unverkennbar vom Tod gezeichnet, spürte Sayd, glomm in dem alten Mann doch noch ein Funke Leben. Christliche Medici, das wusste er nur allzu gut, irrten sich manchmal in ihren Einschätzungen – und ihre Kuren konnten fatal sein.
Doch das brauchte ihn jetzt nicht zu kümmern. Er wollte das Ritual sehen.
Während Beatrice und Autier dem Paar bekannt waren, warfen sie Sayd einen misstrauischen Blick zu.
»Es ist ein Freund«, erklärte der Parfait. »Ein Mann, der unsere Bräuche kennenlernen und sich unserer Gemeinde anschließen will.«
»Dann seid willkommen, Bruder.«
Der Mann drückte ihm die Hand, die Frau, deren Wangen tränenverbrannt waren, nickte ihm zu. Dann schilderten die beiden kurz das Schicksal des Sterbenden. Ein Schlagfluss habe ihn aus heiterem Himmel getroffen, berichteten sie. Danach sei es ihm immer schlechter gegangen und nun hätte der Medikus sie beschieden, dass er nicht mehr lange zu leben habe, weshalb man nach dem Parfait geschickt hatte.
Während Sayd stumm neben Beatrice stand, begann der Parfait nun mit
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