Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
Heimat ist Sonne und Sand und ein breiter Fluss namens Nil, dessen Hochwasser Leben bedeutet. Es sind steinerne Pyramiden, Skorpione unter Felsen, glänzendeSkarabäen. Und Schriftrollen. Ich habe mir vorgenommen, die größte Bibliothek der Welt wieder zu erschaffen.«
Giselle blickte in die Ferne, als könnte sie all das vor sich sehen. Dann wandte sie sich ihm lächelnd zu. »Meint Ihr nicht, dass dies ein wenig viel ist für ein Menschenleben?«
Jared schluckte. Um ein Haar wäre ihm herausgeplatzt, dass er viele Menschenleben hatte. So viele, wie das Schicksal ihm zugestand.
»In einem Menschenleben kann man viel bewirken«, entgegnete er ausweichend. »Man kann Könige zu Fall bringen und Heerscharen aus einem Land vertreiben. Man kann zusehen, wie neue Erfindungen gemacht werden, und neue Erfindungen machen. Man kann sehr viel Wissen anhäufen, mehr, als Ihr vielleicht vermuten würdet. Die Spanne eines Menschenlebens kann wirklich sehr lang sein, wenn man die Zeit richtig nutzt.«
»Das hört sich beinahe an, als hättet Ihr schon ein ganzes Menschenleben gelebt, Wissen angesammelt und Heerscharen aus Eurem Land vertrieben.«
Kurz wallte Panik in Jared auf, dass er zu viel gesagt haben könnte, doch dann erkannte er, dass sie ihn nur necken wollte. »Ich?« Jared schob die Unterlippe vor und hoffte, dass sie ihm seine Lüge abkaufte. »Ich bin nur ein harmloser Schreiber, der Käfer und Skorpione sammelt und aus Tintenfischen Tinte gewinnt.«
Daraufhin betrachtete Giselle ihn lange. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und ihr Puls wurde noch schneller, als sie das Gut vor sich auftauchen sah. Wären sie erst dort, würde es zu spät sein. Wovor hatte sie Angst? Immerhin war es nur eine harmlose Frage. Sie atmete tief durch, dann eilte sie ein paar Schritte vor und stellte sich kerzengerade vor Jared auf.
»Wärt Ihr gewillt, mir Eure Sprache beizubringen?«
27
A ls sich der Himmel rötete, kehrten Jared und Giselle zurück. Ich beobachtete die beiden durch das Fenster unserer Behausung und lächelte breit vor mich hin. Der düstere Jared war wie verwandelt. Seine Augen strahlten, er warf sogar lachend den Kopf in den Nacken und lächelte Giselle bei jeder Gelegenheit an.
Auch Giselle wirkte jetzt völlig verändert. Vorhin hatte sie nicht einmal fragen wollen, jetzt lächelte sie, und bevor sie das Tor durchschritten, gab sie ihm sogar einen kleinen Kuss auf die Wange. Hatte sie es gewagt, ihn zu fragen, und hatte er Ja gesagt?
»Sieh mal einer an«, sagte Gabriel, während er die Arme um meine Schultern schlang. »Ich wusste gar nicht, dass Jared auch eine andere Seite hat. Sonst brummt und knurrt er wie ein alter Hund, doch sobald das Mädchen bei ihm ist, schnurrt er wie eine Katze.«
»Dir ist es also auch schon aufgefallen.«
Gabriel nickte. »Und glaub mir, sobald er es zugibt, hat er keine Ruhe mehr vor mir.«
»Du solltest ihm sein Glück gönnen«, entgegnete ich. »Immerhin hat er ja auch nichts gegen unseres.«
»Nein, dagegen hat er nichts, aber hast du nie bemerkt, wie er dich angesehen hat? Besonders in der ersten Zeit?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur noch, dass er mir wegen meines Streiches mit den Käfern lange grollte.«
»Aber dennoch hatte ich nie Zweifel, dass er dich mochte. Vielleicht sogar mehr als das.«
»Und warum hat er es mir dann nie gezeigt? Nicht dass ich ihn dir vorgezogen hätte, aber wie man sieht, geht er mit jemandem, den er mag, vollkommen anders um.«
»Er hat dir angesehen, für wen dein Herz schlägt. Ich kenne Jared schon eine Weile und weiß, dass er einem anderen Mann niemals die Frau wegnehmen würde. Das Unfreundliche und Abweisende kommt daher, dass ihm das Herz bis zum Hals schlägt und er sich verletzlich und ausgeliefert fühlt. So, wie er sich in den vergangenen Wochen verhalten hat, muss es ihn ziemlich schlimm erwischt haben.«
Bevor ich etwas darauf erwidern konnte, trat er durch die Tür. Als hätte sich der Wind gedreht und sein Lächeln mitgenommen, war seine Miene wieder dieselbe wie üblich. Offenbar war ein sehr guter Schauspieler an ihm verloren gegangen. »Was grinst ihr so?«, fragte er, als er uns sah.
»Wie geht es dem Jungen? Hat dir Giselle von unserer Rettungsaktion erzählt?«
Jared trat an die Waschschüssel und goss sich Wasser ein. Mir war klar, dass er auf diese Weise vermied, mich anzusehen.
»Giselle meinte, dass sie noch nie eine so starke Frau wie dich gesehen hat.«
»Und hat sie dir noch etwas
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