Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
auch misstrauisch machen. Du weißt, dass er dich nicht nur wegen deines bleichen Haars und der Augen schief ansieht.«
Schief ansehen war noch untertrieben. Zwar bekreuzigten sich die Katharer im Gegensatz zu den Christen nicht gleich vor Schreck, wenn sie meiner ansichtig wurden, doch wenn es bei ihnen einen Ritus zur Abwehr des Bösen gäbe, würde er ihn sicher anwenden, wenn ich ihm über den Weg lief.
Ich war eine Frau, die mit drei Männern reiste, ich kleidete mich in Männergewänder, verstand, sprach und schrieb verschiedene Sprachen. Alles Fähigkeiten, die ein Mädchen von neunzehn Sommern nicht haben konnte.
»Gut, dann geh allein. Aber nicht, dass du deinen Gott verärgerst, indem du ihm untreu wirst.«
»Allah ist groß!« Sayd breitete die Arme aus und blickte gen Himmel.
War da ein schelmisches Lächeln in seinen Augen?
»Ich weiß gar nicht, wie ich Euch danken soll!«
Die Frau des Stallmeisters umschloss Giselles Hände mit den ihren und drückte sie herzlich. »Ich hatte gedacht, dass mein Sohn der Vernünftigere von meinen beiden Kindern sei, deshalb habe ich ihn mit seiner Schwester ziehen lassen.«
»Macht Euch keine Gedanken, ich bin sicher, dass Jean nichts dafürkonnte.« Giselle blickte auf den Jungen, der kerzengerade auf dem Bett lag. Noch immer war er nicht zu sich gekommen, doch seine Wangen waren leicht gerötet und sein Atem ging regelmäßig. Gott sei Dank , dachte Giselle.
»Dennoch werde ich ihm ans Herz legen, nicht mehr an diesen Ort zu gehen«, schreckte die Frau sie wieder aus ihren Gedanken. »Und meiner Tochter gleich mit!«
»Ich bin sicher, dass sie auf Euch hören werden, Madame Romuald.«
»Und dankt bitte auch dieser Fremden.« Unwillkürlich hatte die Frau ihre Stimme gesenkt, als wäre die Erwähnung der Reisenden etwas Ungehöriges.
Giselle kannte die Gerüchte, die auf dem Hof umherflatterten wie Tauben. Mägde und Knechte beäugten die Gäste der Azièmes genau, und so waren ihnen viele Dinge aufgefallen, die ungewöhnlich für diesen Landstrich waren. Der, den sie Sayd nannten, verließ am Abend das Gebäude mit einem kleinen Teppich unter dem Arm, suchte sich eine Stelle vor dem Gut und warf sich dort unter fremdartigen Lobpreisungen nieder. Laurina und Gabriel machten keinen Hehl daraus, dass sie ein Paar waren. Und die Sprache, in der sie sich zuweilen unterhielten, kam den Menschen wie eine Reihe unheimlicher Beschwörungen vor. Und es war auch kein Geheimnis für Giselle, dass die Leute nur darauf warteten, den Teufel auf dem Gästehaus tanzen zu sehen. Ihrer Großmutter gegenüber durften solche Geschichten aber nicht erwähnt werden. Auch wenn sie die Fremden noch weniger als alle anderen zu Gesicht bekam, stand sie doch seit ihrer Ankunft auf deren Seite.
»Laurina wird sich über Euren Dank sehr freuen«, sagte Giselle und verabschiedete sich dann von der Frau.
»Ihr scheint recht beliebt zu sein bei den Leuten hier«, stellte Jared fest, als sie die Hütte verließ. Nachdem er den Jungen auf der Bettstatt abgelegt hatte, war er vor die Tür gegangen, dennoch hatte er durch die Fensterläden das Gespräch der beiden Frauen mit angehört.
»Ich versuche ihnen gegenüber so höflich und milde zu sein, wie es mir meine Großmutter beigebracht hat.«
Jared lächelte ihr aufmunternd zu. »Eure Großmutter scheint sehr viel von der Erziehung junger Damen zu verstehen.«
»Das sagt einmal meiner kleinen Schwester. Sie stöhnt und beklagt sich in einem fort. Die Ermahnung, sich an mir ein Beispiel zu nehmen, fruchtet auch nur bedingt.«
»Aber so die Götter wollen, wird sie Euch nacheifern. Und eine ganz besondere Frau werden.«
Giselle lachte auf. Ihre Wangen glühten wie Mohnblüten im Sommer. Eine ganze Weile gingen sie schweigend nebeneinander her und Jared fragte sich schon, ob er sie vielleicht mit seiner Äußerung verärgert habe.
»Ihr habt noch gar nichts von Eurer Heimat erzählt, Monsieur Jared«, sagte Giselle urplötzlich und riss dann einen trockenen Grashalm ab, der ihren Rock gestreift hatte.
»Nun, bislang hatten wir ja keine Gelegenheit, allein miteinander zu sprechen.«
»Das ist richtig, Laurina treffe ich häufig allein, aber Ihr seid immer mit den anderen Männern.«
Jared spürte, dass ihr etwas auf dem Herzen lag, das mit seiner Heimat nicht viel zu tun hatte. Doch er wollte, dass sie selbst den Zeitpunkt wählte, es auszusprechen, und entschied sich, zunächst in aller Ruhe ihre Frage zu beantworten.
»Meine
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