Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
geschieht.«
Giselle überlegte einen Moment lang. »Hättet ihr etwas dagegen, mich mitzunehmen?«
»Mitnehmen?«
»Offenbar kommt ihr sehr weit herum. Ich habe schon immer davon geträumt, die Welt zu bereisen.«
Diese Bitte überraschte mich ziemlich. Sayd würde nie zulassen, dass sie mit uns kam.
»Und was ist mit deinem Consolamentum?«
»Bei uns heißt es, dass wir reisen und unsere Lehre verbreiten sollen. Das könnte ich tun, wenn ich mit euch durch die Lande ziehe!«
»Und dein Vater? Er würde es erlauben?«
Giselle begann an ihrem Tuch zu nesteln. »Er will mich verheiraten. Schon bald. Doch ich will nicht heiraten. Ich will etwas von der Welt sehen und nicht eingesperrt sein und meine Seele mit dem Empfangen von Kindern beflecken.«
Ich seufzte. Obwohl ich sie gut verstehen konnte, wusste ich, dass sie nicht bei uns, nicht bei Jared bleiben konnte. Jared würde vielleicht für eine Weile überglücklich sein, genauso wie sie. Doch dann würden die Jahre ins Land gehen. Giselle würde altern, während Jared blieb, wie er war. Sayd redete keinem von uns eine Beziehung mit einem Menschen aus. Doch alle waren sich dessen bewusst, dass diese Beziehung nicht von langer Dauer sein könnte.
»Du solltest dir das noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen.« Schon während ich sprach, fragte ich mich, ob es nicht doch möglich war, sie von hier fortzubringen. Seit dem heutigen Nachmittag war ich der Meinung, dass wir ihretwegen hier waren, ganz allein ihretwegen. Wenn Gefahr drohte, würden wir sie mitnehmen und von hier fortbringen, egal was ihr Vater dazu sagte.
»Aber ich denke an nichts anderes mehr, seit …« Sie stockte, doch ich wusste, wie der Satz enden würde.
»Warten wir es ab«, beschwichtigte ich sie. Noch habenwir nicht vor, von hier fortzugehen. Du kannst es dir in Ruhe überlegen.«
Doch Giselles Entschluss schien festzustehen, so energisch, wie sie die Fäuste ballte und die Lippen zusammenpresste.
»Schau mal dort oben, den Stern!«, beendete ich das Schweigen und deutete auf das Sternbild, das die Griechen Adler nannten. Der Stern in seiner Mitte funkelte wie ein rötlicher Diamant. »Die Araber nennen ihn Atair, den Fliegenden. Er sitzt in den Schultern des Adlers.«
Giselle kniff die Augen zusammen. »Ein sehr schöner Stern.«
»Und eine sehr interessante Geschichte. So soll der Adler in den Diensten des griechischen Gottes Zeus gestanden haben und in dessen Auftrag Prometheus bestraft haben, nachdem dieser den Menschen das Feuer gebracht hat.«
»Welcher Gott ist so grausam, jemanden zu strafen, der den Menschen Gutes tut?«
Darauf hatte ich auch keine Antwort. Selbst meine Götter waren zuweilen böse zu den Menschen, ohne einen Grund zu haben.
»Wahrscheinlich wollen uns die Götter prüfen. So wie euer Gott euch prüft, indem er verlangt, dass ihr ein reines Leben führt.«
Giselle nickte und blickte dann wieder zu den Sternen auf. Ihre Gedanken kannte ich nicht, aber es war möglich, dass sie sich vorstellte, auf den Schwingen eines Adlers davonzufliegen.
Sayd duckte sich unter dem heransausenden Schwert weg. Einen Dschinn hatte er bereits getötet, doch die anderen drängten erneut auf ihn ein.
Die Geschichten, nach denen die Dschinn Angst vor Metall haben, müssen neu geschrieben werden , dachte er, dann wirbelte er herum und stach erneut nach dem Auge des Angreifers, der ihm am nächsten war. Diesmal traf er und der Dschinn taumelte mit einem hässlichen Rasseln nach hinten.
Doch nur einen Atemzug später umringten ihn die Rauchgestalten erneut – und es schienen mehr geworden zu sein.
Verzweifelt wehrte sich Sayd gegen die Klingen, die mal hier und mal da aus dem Rauch hervorschossen.
Planten sie, das Dorf auszulöschen?
Die Geschichten über den Blutdurst der Dschinn, die ihm jetzt in den Sinn kamen, jagten ihm eisige Schauer über den Rücken. Was haben sie hier zu suchen? Vielleicht kann ich sie aus dem Dorf weglocken.
Mit einem wilden Aufschrei durchbrach er die Reihen der Rauchgestalten, wehrte dabei nicht nur eine Klinge ab und lief die Straße hinunter. Die Dschinn folgten ihm augenblicklich.
Am Dorfrand angekommen ging er hinter dem Brunnen in Deckung. Die Dschinn zogen an ihm vorbei. Offenbar waren sie nicht die Hellsten, was sie aber umso gefährlicher machte. Als er neben sich eine Erschütterung spürte, wandte sich Sayd um.
»Vincenzo?«, fragte er verwundert. »Wie in Allahs Namen kommst du hierher?«
»Ich bin Malkuths
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