Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
unhöflich.« Obwohl ich nicht das Gefühl hatte, dass er mir noch grollte, hatte ich doch das Bedürfnis, ihm das zu sagen. »Ich weiß, du hast getan, was du für das Richtige hieltest.«
Sayd richtete sich auf und wandte sich mir zu. »Es freut mich, dass du das so siehst. Manchmal sind mir die Entscheidungen, die ich treffen muss, selbst unangenehm, aber einer muss es tun.«
»Deshalb bist du unser Anführer.«
Sayd nickte. »Das heißt noch lange nicht, dass ich mir die Einwände der anderen nicht zu Herzen nehme. Aber manchmal kann ich sie wirklich nicht berücksichtigen.«
»In dem Fall des Schmugglers war deine Entscheidung richtig. Es ist nur so … Mir widerstrebt es, zu töten, wenn es nicht unbedingt sein muss. Ich habe es nicht einmal in dem Augenblick fertiggebracht, als er mich bedroht hat. Ganz einfach, weil ich mir gesagt habe, dass er eigentlich keine Gefahr für mich ist.«
Jetzt lächelte Sayd mich an. »Gabriel und du … ihr passt hervorragend zusammen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dich einer besser verstehen und schützen könnte als er.«
Was hatte das zu bedeuten?
Bevor ich etwas dazu sagen konnte, wurde es hinter uns wieder laut. Der Messerstreit ging weiter. Sayd grinste mich breit an. Ich verdrehte die Augen. Und die seltsame Stimmung, die kurz zwischen uns aufgekommen war, verflog wieder.
In den Morgenstunden des nächsten Tages fand sich Aisha Qandisha in Hassans Kammer ein. Zuvor hatte Malkuth ihr und ihrem Gemahl, dem größten der Rauchwesen, zwei Gefangeneaus dem Kerker bringen lassen, an deren Blut sie sich laben konnten. Auf diese Weise gestärkt war sie nun bereit, das Ritual zu vollziehen.
Außer Malkuth standen die beiden Derwische und zwei Dschinn im Raum. Während den Rauchgestalten keinerlei Regung anzumerken war, bissen die Zwillinge nervös auf ihren Unterlippen herum. Sie wirkten, als wollten sie jeden Moment vor Anspannung platzen, denn ihr Gebieter hatte ihnen verboten, irgendetwas zu sagen. Gebannt waren Malkuths Augen auf die Szene vor ihm gerichtet.
Wie ein Raubvogel hockte Aisha Qandisha auf dem reglosen Körper des Kriegers. In ihrer Hand hielt sie einen weißen Knochendolch, mit dem sie das dunkle, noch menschliche Auge des Mannes öffnete. Obwohl ihm die Szene Grauen einflößte, vermochte Malkuth nicht, den Blick abzuwenden. Er beobachtete, wie sie ihren Mund über das verletzte Auge legte und das Blut trank. Bald darauf hob sie ihren Oberkörper ein wenig an und blies Hassan schwarzen Rauch ins Gesicht. Dieser waberte einen Moment lang über seine Wangen, fand dann aber den Weg durch die Augenhöhle in den Körper des Kriegers. Hassan zuckte zusammen und bäumte sich auf, doch Aisha hielt ihn an den Schultern fest, während sie ihre Hufe über seinem Bauch verschränkte. So ging es eine ganze Weile, bis der Rauch in der leeren Augenhöhle ein schwarzes Auge bildete.
»Es ist vollbracht«, erklärte Aisha Qandisha, als sie von Hassan abließ. Schwankend erhob sie sich. »Die Gabe der Lamie, obwohl sie geteilt ist, ist sehr stark. Es war nicht leicht, die halbe Seele zu beanspruchen, aber es ist mir gelungen.«
Der Krieger wirkte merkwürdig blass, beinahe so, als hätte sie ihm all sein Leben ausgesaugt. Doch dann schlug er die Augen auf und erhob sich. Malkuths Hand krallte sich unwillkürlichin seine Gewänder. Erst als er merkte, dass die Dschinnkönigin ihn beobachtete, lockerte er seine Hand wieder.
»Und jetzt soll es mir möglich sein, einfach in diesen Körper zu schlüpfen?«
Aisha lachte auf. »Nein, natürlich wirst du nicht in den Körper hineinschlüpfen können. Doch du kannst ihn jederzeit als dein Auge benutzen – und dem Geist, der die tote Seele ersetzt, durch deine Gedanken Befehle erteilen.«
»Und der Geist wird sie ausführen?«
»Selbstverständlich. Er braucht deinen Befehl sogar. So wie nur eine halbe Lamie in dem Mann steckt, steckt auch nur ein halber Dschinn in ihm. Er kann den Körper bewegen und wird ihn am Leben erhalten. Doch selbst denken wird er nur so weit, wie es um die Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse geht. Willst du etwas anderes von ihm, befiel dem Dschinn einfach, die Augenbinde abzunehmen, und wenn du dann die Augen schließt, siehst du ausschließlich durch deinen Krieger.«
Malkuth näherte sich nun dem Krieger. Hassan sah ihn an, allerdings war dies nicht mehr der Blick, den er von ihm kannte. Etwas Wildes lag darin, das schwer zu kontrollieren wäre, wenn nicht die andere
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