Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
meinem Magen immer schwerer wurde, »dass die Menschen, die damals die Juden töteten, nicht mehr leben. Also ist eine direkte Rache nicht möglich.«
»Das nicht, aber eine Rache bis ins dritte oder fünfte Glied, auch die Nachkommen haften für die Taten ihrer Vorfahren«, sagte Jared.
»Allerdings holt das die Toten von damals nicht zurück«, beendete Sayd die Diskussion. »Kein Tod eines anderen Menschen vermag das. Und jetzt erzähl uns noch mehr über Garnata, sonst sind wir da und können uns die Geschichten gleich von den Leuten auf dem Markt anhören.«
Die Historie der Stadt und des Emirats war bestimmt von zahlreichen Machtwechseln. Den Almoraviden folgten die Almohaden und schließlich die Banu Nasr, die bis auf den heutigen Tag über das Emirat herrschten. Innerhalb dieserFamilie, so Jared, war es üblich, dass Söhne den geschwächten Vater stürzten und ihn ins Exil schickten. Oder dass Brüder gegen Brüder vorgingen und sie entmachteten. Konnte solch eine Dynastie Bestand haben?
Ich dachte über die Gepflogenheiten in meinem Volk nach. Auch hier kam es vor, dass ein Bruder den andern erschlug, um die Herrschaft zu übernehmen. Wenn es keine erwachsenen Söhne gab, kamen manchmal Gefolgsleute auf die Idee, die Macht an sich zu reißen, indem sie die Kinder des Königs töteten. Wir waren nicht besser als die Araber in Garnata, und wie man hatte sehen können, waren deshalb die alten Götter aus den Nordlanden verschwunden und Männer wie Einar Skallagrimm vertrieben worden. Stand dieses Schicksal auch dem Maurenreich bevor?
Nach zweimaligem Rasten in der Wildnis, unsere Schlafplätze hatten wir unter dicht belaubten Bäumen gefunden, kamen wir schließlich an die Tore Garnatas. Vor dem Hintergrund eines imposanten, eisbedeckten Bergmassivs strahlte uns schon von Weitem eine prächtige Burg aus rotem Stein entgegen.
»Ist das die Alhambra?«, fragte ich beeindruckt, denn nicht einmal Malkuths alte Festung hatte solche Ausmaße gehabt.
Jared lächelte breit. Auch er kannte die Burg nur von Abbildungen, die ihm sein Freund geschickt hatte, und dementsprechend entzückt war er, sie leibhaftig vor sich zu sehen. »Ja, das ist sie, die Alhambra. Die rote Burg. Regierungssitz von Emir Muhammad al-Faqih.«
Sie bestand aus wehrhaften viereckigen Türmen und bedeckte beinahe den gesamten Hügel mit ihren Mauern und Wehrgängen. Zu ihr hinauf wuchs, gesäumt von weißgrauen Häusern, ein dichter Baumteppich. Schon lange hatte ich kein so imposantes Bauwerk mehr gesehen.
»Warum hat der Bauherr gerade rotes Gestein verwendet?«, fragte ich, als wir auf die Stadttore zuritten.
»Wie du weißt, wurde diese Burg von dem jüdischen Wesir angelegt.«
»Der gekreuzigt wurde.«
»Wahrscheinlich hatte er das rote Gestein verwenden lassen, weil die Burg prachtvoller als alles andere in Al-Andalus sein sollte.«
»Was ihn das Leben gekostet hat.«
»Der erste der Nasriden hat die Burg dann in der gleichen Farbe weiterbauen lassen, weil Rot die Farbe dieses Geschlechts ist. So hat es mir jedenfalls mein Freund erklärt. Eine sehr kluge Entscheidung, wenn du mich fragst. Nicht nur weil die Alhambra auf diese Weise auf alle Feinde bedrohlich wirkt – erinnert ihre Farbe doch an Blut. Noch in vielen Jahren wird man wissen, welche Familie hier herrschte, allein schon weil die Farbe Rot und die Nasdriden untrennbar miteinander verbunden sind.«
Das Treiben auf den Straßen der Stadt erinnerte mich an Kairo, wenngleich die Menschen hier etwas abendländischer aussahen. Bei der Vermischung der Mauren mit den Einheimischen war es häufiger geschehen, dass hellere Haut und hellere Haarfarben erhalten geblieben waren. Und auch hier schien zu gelten, was wir bereits in Al-Mariyya beobachtet hatten: Christen und Juden wurde es freigestellt, zum Islam zu konvertieren. Einige von ihnen hatten dieses Angebot angenommen, andere hielten an ihrem Glauben fest. So entstand ein buntes Gemisch verschiedener Kulturen, wie wir es selbst in Jerusalem nicht gesehen hatten.
Da wir bei Jareds Freund nicht mit der Tür ins Haus fallen wollten, beschlossen wir, zunächst Unterkunft in einer Herberge nahe der Alhambra zu nehmen. Der Wirt warein beleibter Berber mit Sinn fürs Geschäft und tadellosen Manieren. Er blickte mich zwar verwundert an, besaß aber so viel Takt, nicht nachzufragen, und verteilte uns auf zwei Räume in seinem Haus. Von dem Zimmer aus, das Gabriel und ich bewohnten, konnte man den Hang hinauf direkt zur roten
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