Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
Burg blicken. Meine scharfen Augen schafften es sogar, die auf und ab gehenden Wächter auszumachen.
»Ab sofort solltest du deine Frauenkleider und den Schleier tragen, wenn wir am helllichten Tag auf die Straße gehen«, riet mir Gabriel, während er seine Sachen in der Truhe unter dem Fenster verstaute.
»Ich werde wohl nie verstehen, warum hier die Frauen nicht so herumlaufen dürfen, wie ich es tue«, entgegnete ich, zog dann aber aus meinem Bündel das Kleid hervor.
Da wir die Herberge noch nicht verlassen mussten, ließ ich es aber auf dem Bett liegen, trat zu Gabriel, schmiegte mich an seinen Rücken und schlang meine Arme um seine Schultern. »Was meinst du, wie lange wird uns Jareds Freund warten lassen?«
»Hoffentlich nicht allzu lange«, gab er zurück. »Nicht dass mich diese Stadt abstoßen würde, aber ich kann mir denken, dass Sayd wegen seiner Vision nicht lange hierbleiben will. Und ehrlich gesagt sorge ich mich bei dem, was ich gehört habe, auch ziemlich um meine Heimat. Als ich dort fortging, wusste ich noch nichts davon, dass es eine neue Religion gibt und dass Menschen Verfolgungen zum Opfer fallen. Der König, der Adel und die Kirche waren lediglich bestrebt, sich an Kreuzzügen zu beteiligen.«
»Die Welt ist eine andere geworden«, sagte ich und küsste ihn auf die Wange.
»Fragst du dich manchmal auch, was aus deiner Heimat geworden ist?« Er legte seine Hände auf meine Unterarme.
»Ja, das tue ich. Und sosehr ich auch Angst davor habe,dass wirklich nichts mehr wie früher ist, möchte ich doch die Fjorde und das Meer dort wiedersehen.«
»Eines Tages werden wir dorthin gehen«, sagte Gabriel nach einer kurzen Gedankenpause. »Auch wenn Sayds Visionen uns nicht dorthin schicken. Ich möchte deine Heimat sehen und deine Götter kennenlernen.«
»Wird dein Gott dann nicht eifersüchtig sein?«
Gabriel lachte auf. »Nein, ich denke nicht. Ich habe jetzt schon seit hundert Jahren mit Menschen zu tun, die verschiedene Götter anbeten. Bislang hatte ich nicht das Gefühl, dass er mir zürnt, wenn ich mir ›ketzerische Ideen‹ anhöre.«
»Nun gut, dann werde ich dir mein Dorf zeigen – oder das, was davon übrig ist. Ich bin sicher, dass die Priester keinen Stein auf dem anderen gelassen haben.«
Während ich sprach, fiel mir auf, dass ich keinen Schmerz mehr verspürte, wenn ich an unser Dorf dachte. Die Zeiten änderten sich, und wie ich mittlerweile wusste, erwuchs hin und wieder auch Gutes daraus.
Nach einer wirklich guten Mahlzeit und einigen Stunden Ruhe kam Jared in unser Zimmer gepoltert. »Ich hoffe, ich störe euch nicht«, sagte er mit einem hintergründigen Lächeln.
Was hatte er denn erwartet, voll angekleidet, wie wir waren?
»Nein, komm nur herein«, ich richtete mich auf.
»Wir wollten ohnehin aufstehen«, fügte Gabriel hinzu. »Was gibt es? Gute Nachrichten, hoffe ich.«
Jared wedelte mit einem Pergament. »Harith Al-Harun lädt uns bereits heute Abend zu sich ein.«
»In die Alhambra?«
Jared nickte freudestrahlend, dann entrollte er die Schriftrolle.Viel stand nicht darin, doch die Kalligrafie war wunderschön. Die Schriftzeichen ergaben das Bild eines Storchs, der den Ägyptern heilig war.
»Dein Freund ist ein wahrer Künstler«, bemerkte ich beeindruckt, als ich ihm die Rolle zurückgab. »Wo hast du ihn kennengelernt?«
»In Alexandria, als ich nach Informationen über den Maghreb gesucht habe. Wir verstanden uns gut, und selbst als er in die Dienste des Emirs von Garnata trat, schrieb er mir regelmäßig nach Alexandria, von wo ich die Schriftrollen dann abgeholt habe.«
»Aber darf er dich denn so einfach in die Alhambra einladen?«
»Warum sollte er nicht dürfen?«, fragte Jared verwundert. »Mein Freund ist ein hochgeschätzter Gelehrter und Lehrer der Kinder der Konkubinen. Und wenn wir nicht über die Mauern steigen, sondern die Tore benutzen, werden wir wohl kaum Schwierigkeiten bekommen.«
Im Abendrot wirkte die Alhambra noch prachtvoller als bei Tag. Das Rot der Mauern und Türme leuchtete wie ein Edelstein in der Ferne.
Prächtig waren auch die Pferde, die vor der Herberge auf uns warteten. Dank des Geldes, das wir bei der Überfahrt eingespart hatten, hatte Sayd uns vier schlanke Araberhengste besorgt, die uns auch auf der weiteren Reise gute Dienste leisten würden.
Während ich mich in mein auf dem Markt erstandenes Gewand gehüllt hatte, trugen die Männer allesamt arabische Tracht. Auch Gabriel unterschied sich nun nicht
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