Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
warum ist sie hiergeblieben? Sie hätte fortgehen können.«
»Aber wohin bei dieser Witterung? Hier im Haus gibt es Nahrung und Feuerholz. Wahrscheinlich wollte sie den Winter abwarten – oder das Ende der Pest.
»Wir sollten sie nach draußen bringen, damit der Karrensie mitnimmt«, schlug Saul vor, doch David schüttelte den Kopf. »Nein, es wird besser sein, wir verbrennen sie.«
»Verbrennen?«, fragte Vincenzo entsetzt »Aber was ist mit ihren Gebeinen, wenn der Tag der Auferstehung kommt?«
»Die wird sie in dem Massengrab ebenso wenig finden.« Er hockte sich neben die Frau und strich ihr die Haare zur Seite. »Außerdem vergehen auch die Knochen, mein Freund. Die Wüste wäre sonst voll davon, bei all dem Leben, das sie schon gefressen hat.«
»Vincenzo hat recht, wir sollten die Frau hinausbringen. Natürlich im Schutz der Dunkelheit. Das Feuer, das wir hier entfachen können, wird nicht heiß genug werden. Außerdem sollten wir den Glauben der Frau respektieren.«
David nickte seufzend. »Also gut, dann bringt sie hinaus, sobald es tiefe Nacht ist. Wir werden sie einstweilen in Tücher wickeln und sie in die Halle tragen.«
Als die Dunkelheit hereinbrach, verließ Belemoth mit dem Bündel über seiner Schulter das Haus. Die Straße war totenstill. Nur in der Ferne ertönte das Bimmeln der Pestglöckchen, mit denen die Lenker der Karren die Hausbewohner aufforderten, ihre Toten nach draußen zu schaffen.
Nachdem sich Belemoth umgesehen hatte, trat er aus dem Schatten und trug die Frau zu einem der benachbarten Häuser. Wenn der Pestkarren vorbeikam, würde er sicher denken, dass sie zu diesem Haus gehörte.
»Allah sei deiner Seele gnädig, tapfere Frau«, murmelte er, obwohl Vincenzo ihr bereits das Vaterunser mit auf den Weg gegeben hatte. Dann zog er das Tuch auf ihrem Körper zurecht und erhob sich.
Als er sich umwandte, hatte er für einen Moment das Gefühl, als würde sich die Dunkelheit vor ihm bewegen. Wie schwarzer Nebel, der durch die Straßen strich. Als er genauerhinsah, verging dieser Eindruck jedoch wieder. Belemoth schüttelte den Kopf. Diese Stadt mit all ihren Toten macht auch Unsterbliche verrückt.
Als er ins Haus zurückkehrte, kam David gerade von oben, wo er wahrscheinlich wieder nach dem Mädchen gesehen hatte.
»Was macht die kleine Prinzessin?«, fragte er.
»Sie schläft«, antwortete David kurz angebunden.
»Verzeih mir, was ich gesagt habe. Ich möchte auch nicht, dass das Mädchen stirbt. Aber ich bleibe dabei: Sie gehört nicht in unsere Burg. Wo wir sind, ist sie auch immer in Gefahr, an Malkuth zu geraten. Du weißt, dass er nicht davor zurückschrecken würde, uns mit ihrem Leben zu erpressen.«
David senkte den Kopf, zog sich aber nicht zurück, als Belemoth ihm die Hand auf die Schulter legte. »Ich weiß, sie erinnert dich an deine Kinder. Aber an deren Tod warst du nicht schuld. Und es liegt auch nicht in deiner Hand, was aus diesem Kind wird. Wir sollten sie wirklich, wie Vincenzo vorgeschlagen hat, in eine Familie in Alexandria geben. Vielleicht kennen die Wächter unseres Taubenschlags Leute, denen man sie anvertrauen kann.«
David atmete zitternd durch. »Du hast recht. Verzeih, dass ich dich derart angegangen bin. Die Kleine sieht meiner Esther so ähnlich, dass es mich schmerzt, sie anzusehen. Dennoch kann ich den Blick kaum von ihr abwenden.«
»Ich glaube, keiner von uns kann deinen Schmerz nachvollziehen. Aber wir bewundern deine Haltung und schätzen dich.«
Damit umarmten sich die beiden Männer und gingen dann in die Küche, wo auf dem großen Tisch sämtliche Gegenstände ausgebreitet waren, die David in der Tasche gehabt hatte.
»Vielleicht sollten wir einige nicht so wichtige zu Geld machen«,schlug Saul vor, während er eine der Schalen in der Hand drehte.
»Wozu brauchst du Geld?«, fragte Vincenzo und biss herzhaft in ein Fladenbrot, das sie rasch aus Mehl und Wasser zubereitet und in der Esse auf einem umgedrehten Kessel gebacken hatten.
»Ich will es an die Armen verteilen«, sagte Saul. »Es gibt hier sicher genug Menschen, die dringend Geld brauchen.«
»Wenn sie nicht schon auf die Idee gekommen sind, die Häuser der Reichen zu plündern«, warf Belemoth ein, während er sich ebenfalls einen Fladen nahm.
»Wie du siehst, haben sie vor diesem Haus haltgemacht. Und das, obwohl es eine wahre Schatztruhe ist.«
Tatsächlich schien die Pest die Familie nicht davon abgehalten zu haben, ihre Vorräte aufzustocken. Neben
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