Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sepia

Sepia

Titel: Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schuetz
Vom Netzwerk:
Nachricht, auf die sie schon lange wartet, seit Wochen, den ewigen Mai. Er findet Eli, Frau Felber, beide in bunten Röcken, Persermuster, persische Baumwolle, in geschwisterlichem Einvernehmen.
     
    Eli, das Elala, ist über die schwankende Brücke gegangen. Eine Buchenholzbrücke. Langaufgeschossene Stämme schaffen den Halt für das meterbreite Holz, ebenfalls Buche. Der Großvater hatte im Wäldchen genug Holz geschlagen. Er schafft Raum, Licht für die Sämlinge, denn aus dem Wäldchen soll ein Buchenwald werden, und er schafft Material für die Brücke, die er ausbessern will. Das Bild behält Elala, das Madla, die Enkelin, in Erinnerung. Altes Holz strudelt im Wasser. Der Großvater kniet auf der Brücke, Hanf, Binderuten, passgerechte Stäbe zur Hand. Hammer und Säge hängen an festen Riemen über seiner Schulter. Die Katzbach spielt wieder verrückt. Im Frühjahr kann sie sich nicht benehmen. Sie rüttelt an der Brücke, die Trittbalken krachen. Allerlei Treibgut landet am Ufer, Strohbunde, ein Hühnerstall, ein dürrer Christbaum. Lauter Zeug kommt mit dem Wasser der Wütenden Neiße und der Schnellen Deichsa bis in die Katzbach, das Zeug bleibt an den Pfosten hängen, und auch Heinla, das Kind aus dem Oberhof, Heinla wird im tobenden Wasser am Brückenwehr aufgefangen.
    Es hat nichts geholfen.
    Jetzt helfen ein Heuwenderechen und eine Mistgabel, Werkzeuge, die schnell herbeigebracht werden. Großvater Heinrich kriecht auf allen vieren über die krumme Brücke. Gabel undRechen stecken unter den Hosenträgern, damit er sich mit den Händen an den Balken festklammern kann. Drüben, auf der anderen Seite pflanzt Heinrich mit beiden Beinen stark wie eine eiserne Panzersperre in dem wild gewordenen Fluss, bald reicht ihm das Wasser bis zum Hals. Er wirft den Rechen, dann zieht er. Weh tun kann dem Heinla nun keiner mehr.
    Das tropfnasse Heinla wird in einen Backtrog getan. Es wird getragen, Richtung Oberhof, wo sie noch gar nichts wissen, an stummen Schmiedehämmern vorbei, an bläulich in sich versunkenen Flammen, am Glockenturm, Gasthaus, an Hühnern, die bestürzt den Schnabel halten.
    Wolken ziehen über die Berge. Blitze verschwinden. Der Wind liegt hinter dem Straßenrain.
    Das Heinla ist in die Katzbach gefallen.
    Das sind Stimmen, ein Schrei, seine Mama. Jenseits, hinter dem großen schwarzen Erntetor für die Doppelgespanne mit den vollbeladenen Erntewagen, vor dem wir haltgemacht haben.
    Die Männer haben das Heinla durch das kleine Tor in den Hof getragen. Es ist das Leutetor im rechten Flügel des Erntetores. Ein Tor mit Klinke. Durch das Leutetor kehren die beiden Männer zurück. Einer trägt den Backtrog.
    Das Heinla ist tot.
    Das Fritzla ist in den Brunnen gestürzt, das Brüderla hat verkehrt herum in der Mutter gelegen.
    Papa in Stalingrad.
    Das sind längst noch nicht alle, die in Elis Leben gestorben sind.
     
    Großvater Heinrich steckt seit Frühjahr in einer Büchse. Es hat eine Feierstunde in der Klosterkirche gegeben. Der Pastor und der Vorsitzende des Vertriebenenverbandes haben geredet. Sehr schön, heißt es in dem Brief von Klose Martin, der über AntonsAdresse an Eli schreibt, um die weiteren Schritte, die Asche von Heinrich betreffend, in die Wege zu leiten. Ich habe die Möglichkeiten geprüft. Es gibt immer noch Brieffreundschaften zwischen Imkern in Ost und West und auch zwischen schlesischen Hühnerologen, ein Neubauer, jetzt in Rosswein, hat unserem Heinrich bis zuletzt das Monatsblatt zugeschickt. Doch Bienen und Hühner haben in obiger Sache nicht weitergeführt. Letztendlich haben sich die Verbindungen, die zur Schlesischen Landsmannschaft in Charlottenburg/Berlin bestehen, als brauchbar herauskristallisiert, denn die Landsmannschaft hat Beziehungen zur evangelischen Kirche in Mitte, also im Osten.
    Liebe Eli, man schlägt ein Treffen im Café Moskau vor. Bitte um Nachricht, wann. Der Koordination halber muss ich drei Termine haben, von denen wir einen umgehend niet- und nagelfest machen werden. Die kirchliche Vertrauensperson ist ein Neffe von Kindler Julius, er wird Dir, liebe Eli, auf direktem Wege schreiben. Wir hoffen, Du bist wohlauf und findest mit Heinrichs Asche einen sicheren Weg in unser liebes fernes Gebirge.
    Mit herzlichen Grüßen, Dein Klose Martin. An den Briefrand setzt er noch einmal sein Bedauern um den Verlust und seinen Jammer, dass Heinrich nicht mehr dabei sein wird beim nächsten Richtfest. Wer wird uns nun die Krone machen und die Ziegel

Weitere Kostenlose Bücher