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Sepia

Sepia

Titel: Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schuetz
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oder schlesischer Staub, jedenfalls Dreck.
    Romkater, du siehst ja aus wie ein Romkater. Mama schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, jedes Mal, wenn sie vom Dorf an der Katzbach heimkommt in die Stadt, muss man aus der Elala eine Rafaela machen.
    Romkater, weil die Kater in Rom so lumpig und dreckig sind. Eli nimmt im Zuber der einstigen Waschküche unten im tiefen Keller ein Bad. Eli ist der einzige Mensch im Gemäuer. Das Wasser ist kalt, es schießt in scharfem Strahl aus einem Schlauch in den Zuber.
    Eli schreibt, um das Heinrich-Kapitel abzuschließen, ein paar Sanssouci-Ansichtskarten an die alten Schlesier. Meine Lieben! Opa an Ort und Stelle. Sie schreibt ohne Absender,die Empfänger wissen auch ohne Bescheid. Meine Lieben, ich habe, hoffentlich in Eurem Sinne, einen Schössling von der alten hinfälligen Esche im Niederdorf in die Asche gesetzt. Gruß E.
    Auch an Ludwig schickt Eli ohne Absender eine Karte. Toska. Toska. Toska. E. – Toska ist ein russisches Wort. Es heißt Sehnsucht.
    Dann hebt Eli das Kopfkissen hoch, die Briefe, leider nackte Tatsachen, es ist leider wahr, schwarz auf weiß, Milchgeldschulden, es bleibt dabei, trotz Schusterbock, trotz Drudenfuß, Eli muss handeln.
    Noch am Nachmittag trägt sie das Internatsbügeleisen zur Pfandleihe in der Leninallee.
    Das Bügeleisen gilt als
langlebiger Wertgegenstand
, es ist gut erhalten, es ist ein volkseigenes Bügeleisen, aber das sieht man nicht. Die Studentinnen, die sonst damit bügeln, sind in diesen Tagen in der Produktion oder mit der Kamera an einem Drehort oder mit dem Zelt an der Ostsee, das Eisen wird also nicht gebraucht.
    Eli handelt entschlossen. Sie trägt nun zwanzig Mark und einen nummerierten Pfandschein mit vier Wochen Gültigkeit bei einem Prozent Schuldzins im Beutel.
    Vom Sparbuch war nichts mehr zu holen, das steht seit dem letzten Kassenbesuch noch vor Reiseantritt, von Tintenstrichen begrenzt, unter Guthaben auf Betrag: eins, also auf einer Mark.
    Der besorgte Schaltermann hatte Eli erklärt, das muss so sein, die Einemark, damit der Kontoinhaber das Konto hält, unbedingt hält, für die nächste Zeit, die auf der Habenseite unbedingt wieder eine bessere werden muss. Fräulein, man hat doch anständig mit einer tüchtigen Summe angefangen. Traurig, dass man so tief gesunken ist.
    Eli hatte nach einer Antwort gesucht, einer Rechtfertigung.
    Es war ihr nichts eingefallen, auch nicht draußen vor der Sparkassentür. Wahrscheinlich hatte der Schaltermann recht. Anton würde ihm zugestimmt haben. Ich hab’s gewusst, eines Tages kommt die Pleite, eines Tages steht ein Kuckuck vor deiner Tür.
    Zwanzig Mark für das Bügeleisen.
     
    Eli radelt mit dem Geld gradewegs zur Hegelallee. An der Gerichtskasse zahlt sie den offenen Betrag. Fünfzehn Mark plus eine Mark Mahngebühr plus zwanzig Pfennig Porto, also sechzehn Mark zwanzig.
    Am Zehnten gibt’s Stipendium. Geld für Milch und Theater, endlich wieder einmal Berlin, Deutsches Theater, vielleicht eine Besson-Inszenierung, vielleicht ein Stück von Peter Hacks, Geld genug für ein Moskauer Eis und auch genug zur Auslösung eines Bügeleisens, das den Internatsbewohnerinnen und damit von Rechts wegen dem Volke gehört.
    Ein dritter Briefumschlag, eine weitere Forderung, hatte auf dem Tische und dann unter dem Kopfkissen gelegen, offen, ohne Briefmarke, ohne Adresse, nur mit Namen: An Rafaela Reich. Drinnen ein Zettel: Bitte umgehend im Sekretariat vorsprechen!
    Eli gönnt sich eine Frist. Sie kämmt das Haar, versucht, die Bluse ohne Bügeleisen zu glätten, schreibt einen Satz auf die Rückseite des Zettels, etwas über Wolken und den Dreifuß aus Eisen, über Leichtes und Schweres, etwas in Ludwigs Schrift.
    Sollte der Dekan in diesen Wochen im Haus sein?
     
    Das Hauptgebäude dämmert im Bohnerwachsruch, sauber, still. Eli muss beim Pförtner den Personalausweis mit Grenzstempel zeigen.
    Mensch, Kurt, du kennst mich doch.
    Egal, zeig die Pappe.
    Fahrräder füllen das Treppenhaus, die dürfen nicht mehr draußen stehen. Warum? Man könnte die Räder klauen, aber das ist es nicht, man könnte sie klauen und als Leiter benutzen, als Absprunghilfe über die Grenze. Was soll das bloß werden, das ganze Gerümpel, das Zeug von den Fensterputzern, die Bank von der Bushaltestelle, die Milchkisten vom Milchhof, alles muss ich jetzt hier im Hausflur bewachen, und jede Nase muss ich nach dem Ausweis fragen.
    Behalte die Nerven, Kurt, fang du nicht auch noch an.
    Was denn?
    Na,

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