Sepia
Puffärmel des weiten seidenen Mantelkleides.
Panulku Zibulka trägt Wurst und Honig herbei. Für Eli zum Mitnehmen, und sie muss auch nicht mehr zu Fuß gehen heute und morgen. Panulku Zibulka verschwindet, um die Pferde anzuspannen.
Fiel Glick, schenes Fräulein. Man nimmt, man gibt. Zibulkas Herrin zaubert aus ihrem Puffärmel ein Buch. Mittel fürs Leben, sagt sie,
Die Frau ohne Schatten
, Hofmannsthal, bester Dichter.
Auf dem Buchdeckel eine in Seide gehüllte, von Efeu umschlungene Dame, wissend, träumend. Da danke ich aber von Herzen. Eli macht einen kleinen Knicks, man knickst hin und her. Weiterhin alles Gute.
Die Kutsche steht bereit, ein Landaulett, fast so gut wie die Zirkuskutsche. Eli nimmt Platz, die Geschenke auf dem Schoß, Honigglas, Wurst und Buch, der Rucksack zu Füßen, ohne die Heinrich-Asche. Das ist ein gutes, erhabenes Gefühl, wie eine Taufe in eigener Sache. Die Kinder wirbeln herbei, ausallen Winkeln des Klose-Hofes, Hunde wirbeln im Staub hinterher. Die Kinder fahren mit. Holla, Kyrill, das ist der Name des Schimmels. Die beiden Buben sitzen neben Zibulka auf dem Kutschbock. Die fünf Mädchen haben Eli in die Mitte genommen, die Kutsche ist voll. Es kann losgehen. Lauf, Kyrill, bystro, Kyrill. Hundegebell bleibt zurück. In der Veranda eine Gestalt, die Hand zum Gruß gehoben, umrankt und allein, ungefähr wie auf dem Buch, das Eli in den Händen hält. Eli denkt, da täusche ich mich jetzt aber nicht. Die Gesichter, die Augen der beiden Buben und der fünf Mädchen blau, sehr blau. Eli atmet die kühle Gebirgsluft, der Fahrtwind macht Laune. Zibulka schnalzt mit der Zunge. Galopp, wir fliegen. Lauter himmelblaue Zibulka-Augen. Da täusche ich mich nicht. Sie fahren mit Karacho die Landstraße hinunter bis zum
Gasthaus zur Post
.
Dreimal pro Monat werden Nähmaschinen, Schrank- und Koffernähmaschinen, aus Wittenberge nach Złotoryja, ehemals Goldberg, ins polnische Großhandelslager geliefert. Das weiß nicht nur Eli, das weiß auch Zibulka, er kennt sich aus. Das ist eine seiner neuen Berufungen, sein Wissen um den deutsch-polnischen Handelsverkehr, die Beziehungen reichen weit, bis in den Westen, bis nach Amerika. Er kennt Fernfahrer Uwe aus Wittenberge ziemlich gut, weiß, dass der am liebsten Görlitzer Bier trinkt, und zwar aus der Flasche. Kaffee in der Kanne gebrüht, mit Milch ohne Zucker.
Zibulka steht pünktlich vor der Tür, er spielt den Kutscher und Herrn, er kann das perfekt, stolz sein und dienen, Augenklappe und weißes Hemd. Panulku. Er dreht den Bremsklotz, springt vom Bock.
Eli mit schwerem Rucksack.
Um Himmels willen, was ist denn da drin.
Eisen, sagt Eli, ein Schusterbock zum Schuhebesohlen. EinDrudenfuß, statt fünf hat mein Geisterbeschwörer allerdings nur drei Füße. Mal sehn, was er kann.
Viel Glück, sagt Zibulka.
Ich danke, auch dafür, dass Sie nicht wissen wollten, warum ich hier war.
Keine Ursache, zumal ich seit gestern Bescheid weiß. Ein Klose-Päckchen ist gestern angekommen, inliegend ein Brief. Es stehen zwar nur Andeutungen drin, aber ich konnte mir gut einen Reim drauf machen.
Danke trotzdem. Panulku tatko. Eli kneift verschwörerisch ein Auge zu, denn Tatko heißt Papachen.
In eine Zeltplane verpackt, reist Eli im Lkw von der Veritas-Nähmaschinenfabrik aus Wittenberge über die deutsch-polnische Grenze und weiter ohne Halt auf der Autobahn bis nach Michendorf. Sie hat unterwegs sogar ein bisschen geschlafen.
In der Raststätte Michendorf macht Fernfahrer Uwe auf der Ladefläche mit flinken Handgriffen die Stricke um die Zeltplane locker, dann springt er runter, inspiziert in gut gespielter Ruhe das Fahrzeug, die Reifen, die Radlager, gründlich ringsherum. Dann, ein kurzer Pfiff, und Eli steht mit beiden nackten Füßen auf der festen Erde. Erst im toten Winkel zum Tankstellenbetrieb, dann tritt sie offen und sehr erleichtert auf den Plan. Aufrecht, mit gradem Rücken, ein normaler Mensch, eine Anhalterin, die unterwegs freundlich aufgenommen wurde und jetzt auf dem Rastplatz vielleicht einmal ins Häuschen muss. So steigt sie in die Fahrerkabine. So sitzt sie als Mitfahrerin an der Seite des Fahrers. Das Gepäck, vielleicht Ausflugsausrüstung, jedenfalls nur ein Rucksack, der liegt neben dem Beifahrersitz.
Alles wie geschmiert.
Alles vor dem Start ausgemacht. Die Dunkelheit hilft. Es ist kurz vor Mitternacht. Eli massiert ihr steifes Genick. Sie hältdie nackten Füße ins warme Heizgebläse und schluchzt einmal
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