Sepia
jedes Mal richten, und die rote Pelargonie musste man begießen,aus der Trinkkanne, in der immer noch eine Neige, a Negla, drin war, dann musste man das Kreuz und die Blume lange anschauen und an den Urgroßvater denken. Bunzel aus Bunzlau.
Eli hört die Uhr vom Mitteldorf schlagen. Jetzt muss die Sonne den Rücken vom Spitzberg links übersteigen, dann ist es zwölfe, dann stimmt die Welt. Zwölf Schläge, so ist es im Sommer, so ist es heute.
Kreischende Eichelhäher jagen zwischen Büschen und Steinen. Sie schimpfen, weil Eli nicht hierhergehört. Ein Fremdling im Revier.
Eli behält den Rucksack geschultert. Außer den beiden Eichelhähern hat hier wohl niemand etwas zu sagen. Die schwarzen Hügel auf dem Hügel hat der Maulwurf gemacht. Steine liegen quer oder woanders. Guter schlesischer Marmor ist umgefallen, auf dem besten sind neue Gedenktafeln aufgeschraubt worden, darunter leuchtet noch das alte Gold. Manches kann man entziffern, Namen, drunter und drüber, Ruhe sanft. Daneben eine ausgebrannte Laterne, ein Ewigkeitslicht.
Urgroßvaters Holzkreuz hat die Zeit aufgefressen. Der Zahn der Zeit.
Eli sucht nicht mehr, sie wirft den Rucksack hin. Sie gräbt mit den Händen, es ist rote Erde. Heinrich war immer stolz auf diese rote Erde und auf seine roten Kartoffeln, Sorte Roter Schwede. Das findest du nicht überall. Nur auf unserem Acker und drüben am Berg. Rote Erde.
Eli hat die grauweiße Asche in das Loch gekippt, rot und grau vermischt, dann die Esche hineingesetzt. Sie arbeitet schnell, wie sie es gelernt hat, sie drückt die Erde fest um Fraxinus excelsior, dann läuft sie mit der Büchse zwischen Koppeltränke und Setzling hin und her, Wasser löst die Nährstoffe, die Kraft steigt aufwärts von Zelle zu Zelle und befördert das Wachstum, Eli lässt das Wasser in die kleine Mulde, den Gießring,rinnen. So nehmen die Wurzeln der Esche Fühlung auf mit der Erde. Die Esche ist ein Ölbaumgewächs. Es ist Heinrichs Esche. Blütezeit im April. Eli gießt und gießt, sie rennt hin und her mit der Büchse. Es ist niemand da, der Einhalt gebieten oder trösten könnte. Schöpfen und gießen. Niemand auf weiter Flur. Nur der Herr der Berge, Rübezahl, der schickt die meckernden Eichelhäher mit ihrer Wahrheit. Verschwinde.
Ich hau ja schon ab. Eli lässt die Büchse an der Koppeltränke zurück. Für Menschen, die einer kleinen Esche behilflich sein wollen beim Wurzelnschlagen, für Geister, die sich um Verlassenes kümmern.
Die Sonne ist nun rund hinter dem Spitzberg hervorgekommen, oder der Spitzberg ist höflich beiseitegetreten.
Eli wandert ins Dorf. Den Drudenfuß auf dem Rücken. In Eile, einer Einladung folgend.
Eli lernt Zibulkas Herrin kennen. Eine Stoikerin, hatte Zibulka erklärt, das sind die, die niemals bereuen. Eli sieht es gleich an ihrem stolzen Gesicht, ihrer großzügigen seidenen Umhüllung. Man sitzt mit Teegläsern in der Clematisveranda von ehemals Klose. Der Gatte grüßt in der Tür, ein gebildeter Stuben- und Nachtmensch, sieben Kinder gehören zum Haus, Pferde, Hunde. Eli ist eingeweiht und trotzdem überrascht. Der Stubenmensch und deutlich auch Vormittagstrinker verschwindet wortlos, mit einem Pfiff nach seinem Pudel und einer noblen Verbeugung tritt er ab, verzieht sich in seine Rechenkammer mit elektrischer Rechenmaschine und einem Sofa für seinen Vormittagsschlaf. Die Kinder rennen über die Verandatreppe schnell aus dem Haus. Kaputt, kaputt, ihr keckes Lachen tönt unter den aufgeschobenen Verandafenstern, kaputt, ein Wort, das die Besucherin tüchtig erschrecken soll. Im weiten Hof verliert sich das Rudel. Es ist still.
Die Herrin spricht Altpolnisch mit Zibulka. Sie nennt ihnPanulku, also ungefähr Herrchen, mit Eli unterhält sie sich in einer Art Deutsch, k. u. k., ein liebenswürdiger Zungenschlag. Sie nimmt sich Zeit für die Gästin.
Auf dem Korbtisch ein Teller mit Rhabarberkuchen.
Bitt schen. Eli langt zu. Rhabarber pur. Elis Gesicht gewinnt nun auch einen stoischen Anflug, vielleicht ein verständnisinniges Lächeln. Sie erfährt von den sieben Schwangerschaften, alle Kinder nicht am Sam, in der alten Heimat, sondern hier an der Katzbach geboren. Überhaupt habe das Fruchten hier erst begonnen.
Eli packt ihre Mitbringsel aus. Die Herrin betrachtet die Kleidungsstücke. Atlasseide, Kultur wie in Jugendzeiten am Sam. Sie lächelt stolz und etwas melancholisch. Die Sachen, Exzellent-Miederwaren, weiß und rosa, verschwinden mit einer eleganten Geste im
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