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Sepia

Sepia

Titel: Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schuetz
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Welt nicht zu vergessen, hatte er damals an die Kamera ein Stück Pappe geklebt, seine Parole: film comico. So ist eine knallkomische Seelenoper entstanden. Filmkunst. Unbedingt ansehen!
    Grüßend, auf ein Briefchen hoffend,
    Deine Erika, die jetzt gleich Teig zum Bäcker tragen wird, wie immer freitags, um am Nachmittag den fertigen Kuchen abzuholen.
    Sei unser Gast.
    P.S. Was macht Laokoon?
     
    Eli weiß inzwischen, um den Laokoon steht es schlecht. Unter den Experten haben sich zwei kritisch ablehnende Parteien gebildet. Die eine, zu denen Kunert gehört, sagt, solange man liest, will man der Geschichte in ihrer spekulativen Suggestion viel zu unbedingt glauben, man ist gebannt, und das stört. Will uns der Prüfling einen Schauerroman servieren? Den Ausführungen fehlen die überzeugenden Beweise. Fotos. Fußnoten. Dokumente.
    Der Dekan dagegen meint: Nicht uninteressant, doch ich zweifele noch. Sein Urteil: Kühne Behauptungen und überhaupt:Warum Laokoon? Wer ist Laokoon, Priester, Kämpfer? Sie beschreiben einen Kraftmenschen in verzweifelter Ohnmacht, Sie beschwören Schauder und Entsetzen, Hoffnungslosigkeit, Gänsehaut. Angst. Fräulein Rafaela, Sie sind immer noch das gebrannte Kind. Viel Asche. Ich will, wir alle wollen Sie da herausbefördern. Also, gehen Sie noch mal ran, und: Raus aus der Asche.
    Das Manuskript wandert den vorgeschriebenen Weg durch die Abteilungen. Fremdsprachen, Leibesübungen, die Trainer für Reiten, Fechten und die Tanzpädagogin sind zum Lesen verpflichtet.
    Die Sprachler übermitteln ihr Urteil in einer Notiz, die mit Büroklammer am Schnellhefter hängt. Student hat die entscheidenden Grundlagen der klassischen Kunstrezeption nicht gelernt. Wo bleibt die Erkenntnis? Die Katharsis. Die Sportler schreiben darunter: Einverstanden, dazu das Datum.
    Eli vermisst Anmerkungen zum richtigen rechten Arm und zu Laokoons Sohn, der nach ihrer Meinung davongekommen war, zu den roten Fäden, zu den Sachen, die zusammengehören, weil sie direkt in die Mitte zur Gotteserscheinung führen und zum Verschwinden.
    Nur Fecht-Gäbel hatte an der Stelle mit dem Arm ein Ausrufungszeichen gesetzt und dünn mit Bleistift dazugeschrieben: Kämpfer kann ausgezählt werden, L. von Schlange nach Regel durch Schultergriff k. o.
     
    Eli würde gern einen Spaten nehmen. Es wäre richtig und an der Zeit. Im Parkgelände der Tauber-Villa will die englische Wiese zum Brachland werden. Von Vögeln hergebracht, haben sich Sonnenblumen angesiedelt. Blüten auf dünnen himmelwärts ragenden Stängeln. Nach Osten lächelnd. Die Brombeerhecke wandert zügig zum schönen Haus. Schösslinge stoßen aus dem Mauergrund. Stachelfinger halten die Wand.
     
    Die Besetzungsabteilung beim Spielfilm braucht junge Leute, möglichst hohläugig dürre Typen für eine Hauptplanposition. Da muss die Schule eine Ausnahme machen, statt Kleindarstellerverbot für Studenten, heißt es nun: Aus der Praxis lernen! Ein Assistent vom Studio hat sich in der Mensa einen Tisch gesichert. Über die Suppe gebeugt, begutachtet er das Material, Studenten, nicht nur von der Schauspielabteilung. Er taxiert die Hungrigen vor der Essenausgabe, Untergewicht, kränklich, müde, mit bläulichen Augenringen, das sucht er.
    Eli eignet sich. Sie wird auf die Liste gesetzt. Der Assistent reicht ihr einen Zettel zum Unterschreiben. Einen Darstellervertrag. Die Drehtage werden kurzfristig per Aushang beim Pförtner bekanntgegeben.
    Das bedeutet ein paar Wochen Aufschub für die Überarbeitung des Laokoon. So viel Ausnahmen und Entgegenkommen auf einmal. Nicht jedem werden gleich Monate eingeräumt, nicht jedem wird eine Frist zugestanden, eine wiederholte Chance gegeben, Eli, nur du, nur dir, nur für dich. Weil du unsere Arbeiterklasse bist. Oder unser Bauer.
    Eli radelt nach Sanssouci. Aus alter Verbundenheit und um Termine abzusagen. Weil sie jetzt anderweitig beschäftigt ist.
    Eli macht in einem Film mit. Nicht nur als Freundschaftsdienst in einem Studentenfilm. Sie ist Kleindarstellerin. Sie bekommt Gage.
    Gage, was ist denn das?
    Das ist Geld fürs Mitspielen.
    Und wer bezahlt das?
    Das bezahlt der Film.
    Die Gärtner sitzen beim Frühstück, und dann räumen sie das Depot auf. Der Spätsommer ist eine gemütliche Zeit. Die paar Blätter, die von den Bäumen fallen, lohnen noch keine Aktion. Die Rabatten an den Wegen sehen jetzt vor dem Ende ganz von allein noch einmal richtig prächtig aus, die letztenBlüten leuchten in der warmen Mittagssonne. Man

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