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Sepia

Sepia

Titel: Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schuetz
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sie Antons Pfeifen nicht leiden kann, den Geruch überall und überhaupt, der Wachstuchtisch in der Wohnküche, der komischeKopfputz von Henn, sein Gewese um den Fortbestand der Taxushecken, überhaupt der Arten in der Natur, der bedrohten Sachsenflora?
    Die zweite Frage heißt: Familienstand.
    Eli sagt: Allein. Wiederholt im ganzen Satz: Ich stehe allein.
    Die dritte und letzte Frage lautet: Umstände.
    Keine anderen, sagt Eli.
    Die Frau zwischen den Karteikartenkisten wiederholt zusammenfassend die drei wichtigen Punkte: ledig, nicht schwanger, ausgebombte Kriegswaise nicht von hier, sondern aus Sachsen. Da kann ich leider nicht helfen.
    Und nächste Woche?, fragt Eli.
    Auch nicht, sagt die Frau.
    Eli bleibt noch eine Weile stur vor dem Schreibtisch sitzen. Die Frau blickt noch eine Weile ärgerlich, vielleicht sogar ängstlich über die Brille.
    Draußen im Flur, an den Wänden entlang auf ausgemusterten Kinoklappsitzen die Wartenden, hellwach und misstrauisch.
    Der Nächste bitte, sagt Eli, dazu verkündet sie, wie es hier Brauch ist, die nächste Nummer, die nächste Zahl.
    Hundertsiebzehn, dann sind jetzt wir dran. Die Klappsitze schlagen. Die Hundertsiebzehn ist schwanger, jedenfalls trägt sie einen deutlichen Kugelbauch. Der Mann an ihrer Seite ist zu allem entschlossen und hochkonzentriert, trotzdem hätte er beinahe den Regenschirm unter dem Klappsitz vergessen. Hundertsiebzehn, das sind wir. Wir sind bestellt.
    Wer bestellt ist, genießt einen Vorzug, nicht jeder wird wiederholt verarztet, wer bestellt ist, hat Übung. Man hat das Warten gelernt. Nummer hundertsiebzehn entschwindet eilfertig, der Mann schließt hinter seiner schwangeren Frau sorgsam die Tür.
    Dagegen halten solche Nummern wie Eli den Laden nurauf, sie treiben die Zahl der Wohnungssuchenden hoch, sie blockieren die Plätze, schaffen Unruhe, weil sie mit ihrer Nummernmarke unnötig auf die Uhr schauen, stöhnen, gähnen. Beim Abgang fluchen, die altehrwürdigen Schwingtüren in den langen Stadthausfluren mit den Füßen treten, dass sie ewig schwingend gegen die Wände krachen.
    Tumult, Aufruhr, der auf Erden nicht verlorengeht.
     
    Am Sonntag will der Frühnebel nicht weichen. In der Senke am See hängt noch am Mittag ein seidenes Gewölk. Man sieht nichts, nicht das Wasser, nicht das Ufer auf dieser und auf der anderen Seite. Geräusche, dazu ein Lichtstreif, das ist der Grenzjeep, der längs des Drahtverhaus Streife fährt.
    Dann hört man ein seltsames Tier. Komisch laute Rufe.
    Luuu, luuuu, lu. Durch den Nebel. Oder wie von der Kommandobrücke eines festgefahrenen Schiffs. Eli formt mit den Händen einen Trichter. Luuu. Es kommt keine Antwort. Kein Echo, Schweigen hinter dem Vorhang.
     
    Lieber Anton, ich möchte Dir heute mitteilen, dass ich bald eine neue Adresse haben werde, schicke mir bitte vorläufig keine Briefe mehr an die alte in unserem Hauptgebäude. Bitte rechne Weihnachten nicht mit mir, also keinen großen Karpfen in Moritzburg holen. Die kleineren schmecken allemal besser. Vielleicht komme ich mal kurz auf einen Sprung, auch wegen der Post. Wie sieht es mit Stollen aus, soll ich in Berlin was besorgen? Rosinen, Mandeln? Ich habe etwas Geld verdient, Gage, da staunst Du! Habe mir Shakespeare antiquarisch gekauft, trotzdem noch einen schönen Batzen für Weihnachten übrig. Gehst Du zu Bäcker Gocht abbacken? Ich frage, dabei kannst Du mir nicht einmal antworten, Du weißt ja nicht wohin.
    Bald mehr,
    Deine Eli
     
    Eli darf keine weiteren Ansprüche stellen. Wenn sie nicht wieder zu ihrem Großvater nach Dresden zurückkehren will, dann ist das ihr eigenes Problem. Ihr eignes Behagen. Sie leistet sich damit einen Luxus.
    Bei der Wohnraumlenkung darf sich Eli nicht mehr sehen lassen, dort bekommt sie nicht einmal mehr eine Nummer. Nummern nur für Bestellte.
    Eli packt die Bücher und Schallplatten in Kisten, praktische Teile aus der Markthalle, festes Holz, stapelbar. Bastkisten. Obstkisten. Man nennt sie so oder so. Man braucht sie zur Erntezeit und jederzeit im Gartenbau. Die Studenten machen Regale daraus oder Hocker oder bequeme Rauchtische. Die Tauber-Villa ist voll von Bastkisten. Eli bringt ihre gepackten Kisten in der Dachschräge unter, wo schon das Zeug von der cleveren Schauspielerin steht, dort, wo Eli den Sack mit den grünen Kaffeebohnen gefunden hatte. Auf Elis Kisten liegen Zettel. Wird abgeholt.
    Eli schläft in einer Laube in einer Gartenkolonie am Schlänitzsee. Wecker, Kofferradio, Bettzeug und

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