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Sepia

Sepia

Titel: Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schuetz
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Angelegenheit, ich lege den Schlüssel in die Wandlampe, ich achte darauf, dass mich keiner sieht. Du kannst dich auf mich verlassen, ich habe Übung im Schleichen. Ich bin die beste Schleicherin der Welt.
     
    Es war nicht leicht, einen Handwagen aufzutreiben. Entweder haben wir Hänger für Autos oder Tafelwagen, mit denen wir die Möbel zwischen den Internaten und Schulgebäuden hin und her transportieren. Aber dann hat wieder Frau Felber Rat gewusst. Der Hausmeister der Einrichtung neben dem Stalin-Haus, der hatte noch das Fluchtwägelchen aus dem Sudetenland. Sagt man das noch, Sudeten?
    Sudeten, das nicht, aber Sudetenland ja. Das eine ist Politik, das andere Geographie. Man weiß nicht genau, wie es richtig ist, also am besten, man vergisst solche Namen.
    Vorsätzlich vergessen, geht denn das?
    Eli belädt den Wagen, Matratze, Bücher, Koffer mit Klamotten, Antons Lederjacke obendrauf, weil sie nicht mehr in den Koffer hineinpasst. Der schwere Dreifuß hält die Zettelmappen. Erikas REMA Trabant steckt in der sicheren Mitte. Es ist ja nur ein Sprung von der Tauber-Villa zur Thälmann-Straße.
     
    Frau Gottschalk juchzt nicht, sie kichert nicht, der nackte Schreck spricht aus ihren blauen Augen, die andere Seite derFrohnatur. Sie wartet schon auf Eli, sie steht in der Kälte unter der Haustür.
    Fräulein Eli, kommen Sie schnell.
    Der Leiterwagen bleibt auf dem Bürgersteig. Foto-Schlick im Eckladen übernimmt die Aufsicht über die Sachen, das Radio, die Lederjacke.
    Frau Gottschalk springt die Treppe hoch, mit stummen Zeichen des Schweigens schiebt sie Eli durch den langen dunklen Korridor bis ins dunkle Loggiazimmer, Schreibtisch in der Schornsteinnische, offene Büromaschine, Sessel. Eli wirft den Jägermantel auf einen Stuhl. Sie versucht aufrecht zu bleiben, manchmal braucht man ein starkes Kreuz, festen Stand.
    Ich muss mich setzen, flüstert Frau Gottschalk.
    Sie sind eingedrungen. Es hatte geklingelt, ich kannte weder die junge Frau noch den Mann, sie haben mich gefragt, ob sie mal reinkommen dürfen, sie hätten nämlich eine Zuweisung bei der Hand, die Berechtigung für das Betreten der Räume, weil ich doch bald übersiedeln würde. Ich war total perplex. 1 Erkerzimmer mit Kachelofen sowie 1 kleines Durchgangszimmer ohne Ofen, einschließlich Küchen- und Badbenutzung, so stand es auf dem Schreiben von der Wohnraumlenkung mit einem Stempel und einer Unterschrift vom Rat der Stadt, gültig mit sofortiger Wirkung. Die Zuweisung geht auf den Namen der jungen Frau Jäger. Er hat sich mit Horst Simon vorgestellt.
    Und weiter?
    Frau Gottschalk seufzt, sie spricht noch leiser, sie flüstert. Sie wohnen schon. Der Herr Simon hat gestern Abend noch zwei Kastenmatratzen hochgebuckelt und Koffer und eine bunte Lampe. Ich habe grade vorhin mal gehorcht, es ist ruhig, sie schlafen noch, der Schlüssel steckt. Er arbeitet in der Filmbranche, ich glaube, das ist der Regisseur, der
Ein verhexter Sommer am See
gemacht hat. Der soll ganz gut sein. Was zum Lachen.
    Und mein Rucksack?
    Steht hier hinterm Schreibtisch.
    Eli wie ein Stock, aber wankend, also kurz vor dem Umfallen und blass, jedoch im Innersten fest entschlossen.
    Wo mein Rucksack ist, da will auch ich sein und bleiben.
    Foto-Schlick hilft Kisten schleppen.
    Frau Gottschalk quetscht sich gegen die Wand, um Platz zu schaffen. Das tut mir alles so schrecklich leid, sagt sie, und sie achtet weiter darauf, dass nicht so viel Krach gemacht wird, wenn Eli und Schlick durch den schmalen Korridor poltern, weil man im Erker- und im Durchgangszimmer immer noch ruht. Dielen knarren, Glasperlen klirren, Hängelampen schaukeln. Elis Kisten, das Radio, werden in einem Hinterzimmer gestapelt, die Matratze wird hochkant durch den Korridor geschoben bis zum Ende, dort an der Wand stört sie vorläufig niemanden.
    Frau Gottschalk stöhnt und lacht nun wieder. Das ist ja wie bei den Zigeunern.
    Eli darf sich neben ihren Kisten auf einer Chaiselongue einrichten, in dem Zimmer hat immer der Verlobte von der Tochter geschlafen, etwas abseits vom Familientrubel. Da klemmt auch der Schreibtisch aus dem früheren Büro. Frau Gottschalk sagt, das ist mein Lieblingszimmer, schummrig gemütlich, mit einer kleinen höhlenartigen Loggia, die man von Friedhofsgeräten, Vogeltränken, Kohleeimern freiräumen könnte, dann würde man sogar noch eine kleine luftige Räumlichkeit gewinnen. Das Hinterzimmer heißt Loggiazimmer.
    Eli setzt sich an die Schreibmaschine, sie betrachtet das

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