Septemberblut
Atem der Latina ging schwer.
Amber berührte sie an der Schulter, und sie zuckte zusammen. »Komm, Christina, lass uns verschwinden.«
Endlich reagierte sie, sicherte die Waffe und hob ihre eigene auf.
Amber betrachtete die Pistole in ihrer Hand mit plötzlichem Abscheu. Hastig rieb sie ihre Fingerabdrücke mit einem Zipfel ihres T-Shirts ab, ließ die Waffe fallen und folgte Christina die Straße hinunter.
Die Frauen waren gerade auf den Boulevard getreten, als zwei Polizeiwagen mit quietschenden Reifen in die Gasse einbogen.
»Glück gehabt«, lächelte Christina und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Ambers Atem ging noch immer wie nach einem Hundertmetersprint. Ihre Lunge schmerzte. Passanten schienen sie anzustarren. Christina blieb im Schatten einer Palme stehen, zog ein Taschentuch hervor und reichte es ihr.
»Was soll ich damit?«
Christina deutete auf ihr Gesicht. Erst jetzt bemerkte Amber,dass ihr etwas die Wange hinunterlief. Blut! Von dem Steinsplitter, der sich bei dem Schuss gelöst hatte. Hastig wischte sie das dünne Rinnsal fort und presste das Taschentuch auf die Wunde.
»Komm, es ist nicht mehr weit bis zu Tom.« Christina zupfte Amber eine Strähne in die Stirn. So würde kaum jemand die Wunde bemerken.
»In dir steckt mehr, als ich gedacht habe«, sagte sie anerkennend.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal benutzen müsste. Mein Bruder wollte immer, dass ich Selbstverteidigung lerne. Er hat nicht aufgegeben, bis ich mich für einen Kurs eingeschrieben habe.« Amber blieb stehen. »Was war gerade mit dir los, Christina? Du hättest den Kerl fast erschossen.«
»Das wäre vielleicht auch besser gewesen. Den haben wir sicher nicht zum letzten Mal gesehen. Sie gehörten zu Gordon.«
»Aber das kann doch nicht dein Ernst sein. Der Mann war bewusstlos!«
Christina blickte sich nervös um. Einige Leute schauten neugierig in ihre Richtung, als erwarteten sie einen Streit.
»Komm.« Sie fasste Amber am Arm und zog sie weiter.
Amber folgte ihr unwillig.
Kurze Zeit später blieb sie vor einer Stahltür stehen und schellte an der unbeschrifteten Klingel.
Schritte näherten sich.
»Ich bin es, Christina Reyes.«
»Hey, Chris«, tönte eine raue Männerstimme.
Schlüssel klirrten. Mehrere Schlösser sprangen auf, dann wurde die Tür aufgestoßen. Der schmale Flur dahinter war dunkel und gerade breit genug für die Schultern des kleinen glatzköpfigen Mannes, der sie begrüßte.
Erreichte Amber die Hand. Unzählige Tätowierungen tanzten auf seinem Arm, und sein schmutziges Unterhemd ließ erkennen, dass auch auf der Brust kaum noch ein Stückchen blanker Haut war.
»Tom, das ist Amber«, sagte Christina. »Sie gehört Julius.«
»Ah, die Freundin des Killers, ist mir ein Vergnügen.«
Er musterte sie unverhohlen.
»Ich gehöre niemandem, Chris!« Amber funkelte ihre Begleiterin wütend an.
»Wie du willst.«
Tom schloss sorgfältig die Tür ab, und Amber folgte Christina durch den Flur. Mit dem Kopf stieß sie gegen eine defekte Glühbirne, die an einem langen Kabel von der Decke baumelte.
»Habt ihr Ärger, Mädels?«
»Nein«, antwortete Christina und warf Amber einen Blick zu, der sie ihre Antwort unterdrücken ließ.
»Na, dann mal rein in die gute Stube. Chris, du kennst den Weg.«
Stockflecken prangten an der Wand, der Putz schlug Wellen. Amber folgte Christina und versuchte, ihre Gefühle herunterzuschlucken. Als sie in eine fensterlose Halle traten, hatte sie sich wieder völlig im Griff.
Die Betonwände waren unverputzt, nur hier und da mit verblichenen Postern nackter Schönheiten dekoriert.
Am fernen Ende der Halle hingen Zielscheiben, manche in menschlicher Form. Ein Witzbold hatte den Figuren Vampirzähne aufgemalt.
Amber war sich sicher, dass sich dort ihr Gastgeber künstlerisch betätigt hatte. Doch nun zog ein Tisch ihre Aufmerksamkeit auf sich, auf dem Schusswaffen verschiedenster Art aufgereiht waren, von kleinen Revolvern bis hin zu Maschinengewehren.
Siehtaus wie im Waffenlager der Mafia, dachte Amber und konnte ihren Blick nicht abwenden.
»Ich habe heute Morgen noch mit eurem Boss gesprochen, er sagte, dass was Übles im Busch sei.« Tom stemmte seine muskelbepackten Arme in die Seiten. Abwartend sah er Christina an, doch sie schwieg. »Du willst mich also nicht in euer kleines Geheimnis einweihen?«
»Nichts gegen dich, Tom, aber wenn Curtis dir nichts gesagt hat, hatte er seine Gründe.«
»Ich kann schweigen wie ein Grab!«
»Aber
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