Septemberblut
deine Gedanken nicht, Tom. Du kannst dich nicht vor einem Meistervampir schützen, der liest dich wie ein Buch.«
»Hast recht. Verdammte Blutsauger.« Die letzten Worte sagte er mit einem breiten Grinsen und wandte sich wie ein routinierter Verkäufer seiner Ware zu. »Julius’ Mäuschen braucht also eine Kanone.«
Amber wollte ihn zurechtweisen, doch da hielt er ihr bereits zwei Pistolen hin. Sie zögerte. »Ich habe noch nie geschossen, und eigentlich …«
»Diese Diskussion hatten wir schon«, wurde sie von Christina unterbrochen. »Denk daran, was mit deinem Bruder passiert ist. Hier geht es nicht um Fairplay!«
Amber seufzte und griff nach der Waffe, die ihr optisch mehr zusagte.
Tom lächelte. »Smith & Wesson Kaliber 45. Automatik, leicht zu bedienen. Ist doch einfacher als Schuhe kaufen, was?«
Kapitel33
Amber schloss die Tür auf und schaltete das Licht an.
Es war erst halb fünf, doch hier, tief unter der Erde, schien Zeit keine Bedeutung zu haben. Amber machte einen Bogen um den dunklen Samtvorhang, hinter dem der Sarg stand.
»Keine Panik, Julius, ich bin’s nur«, sagte sie leise und kam sich dabei töricht vor.
Die Tüten mit ihren neuen Kleidern und die Pistole samt Munition fanden ihren Platz in einer Ecke neben dem Waschbecken.
Amber hatte es eilig. Christina hatte versprochen, ihr zu zeigen, wie sie sich gegen Julius’ Besuche in ihrem Kopf schützen konnte, und die Chance würde sie wahrnehmen.
Sie zog sich um, band ihre Haare zusammen und eilte hinauf zu den Räumlichkeiten der Diener.
»Ich bin hier, Amber«, schallte es aus der Küche.
Christina werkelte in der Gemeinschaftsküche und hatte bereits ein Tablett mit Tassen, Teekanne, Zucker und Keksen beladen. Jetzt drückte sie gerade die tropfenden Beutel über der Kanne aus. Die Latina lächelte. »Gleich geht es los.«
Amber folgte ihr in ein großes Wohnzimmer. An seinem Ende führte eine schmale Wendeltreppe weiter hinauf. »Da oben wohne ich. Es ist schön, du wirst sehen.«
Amber kletterte die schmalen Stufen hinauf, die unversehens vor einer Tür endeten. Sie öffnete und kam in einen lichtdurchfluteten Raum, der durch einen großen Durchbruch in einen zweiten mündete. Es gab nur wenige Möbel, alles war offen und hell.
»Meine Zimmer werde ich wohl am meisten vermissen, wennich verwandelt bin«, sagte Christina leichthin, stellte das Tablett auf einem Glastisch ab und goss Tee in zwei Gläser.
»Wo wirst du dann wohnen?«
»Unten bei Brandon und den anderen natürlich. Vampire haben hier oben nichts zu suchen.«
»Sie dürfen nicht hierherkommen?«, fragte Amber erstaunt.
»Das ist unser Reich. Natürlich besucht Brandon mich, aber dann hole ich ihn ab.«
Amber bewunderte Christinas kleines Paradies. Auf einer Kommode standen Fotografien, die die junge Frau und ihren unsterblichen Freund zeigten, mal zu zweit, mal mit einer Familie, offensichtlich Christinas Eltern.
»Du könntest die Zimmer dann haben. Es ist fast wie eine eigene Wohnung.«
»Nein danke, Christina, das ist lieb, aber ich habe nicht vor, hier einzuziehen.«
Christina sah Amber zweifelnd an. Diese trat an eines der großen Fenster und sah hinaus. Das Kino war höher als die umliegenden Häuser, und über die flachen Dächer hinweg ließ sich ein Streifen Blau erahnen: das Meer.
»Kommen wir zu dem Grund deines Besuchs«, sagte Christina.
Sie holte zwei dünne Matten aus einer Ecke und breitete sie auf dem Parkett aus. »Wichtig ist, dass du dich halbwegs lösen kannst. Sobald du die Technik beherrschst, geht der Rest mit ein paar Tricks wie von allein.«
Christina setzte sich und klopfte auf die Matte neben sich. »Fangen wir an, die Herren werden schließlich bald wach.«
Amber setzte sich im Lotussitz und lächelte. »Kann losgehen.«
Esdauerte eine Weile, bis Amber tatsächlich ihre innere Ruhe fand. Zu viele Gedanken schwirrten ihr im Kopf herum: Frederik, Julius, und nicht zuletzt der Kampf wenige Stunden zuvor, der beinahe schlecht ausgegangen war.
Schließlich gelang es ihr doch.
Die Sonne schien durch die großen Fenster, wärmte und tauchte Amber in wohltuendes Licht.
Unter Christinas Führung spürte sie ihrer Lebensenergie nach und fühlte diese als warme Kraft durch ihren Körper rinnen. Es war ein einziges Summen und Fließen, das stärker wurde, je mehr sie sich darauf konzentrierte, und als warmer Kern in ihrer Mitte zusammenlief. Als Christina sie dann anregte, der Energie aus ihrem Körper hinauszufolgen, hatte sie
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