Septemberblut
Dessous stehen blieb und die Auslagen musterte, schimpfte sich Amber paranoid. Nicht jeder Mann, der für seine Partnerin nach schöner Wäsche Ausschau hielt, war gefährlich.
Lustlos entschied sie sich für eine Hose, einen Gürtel mit großer Silberschnalle und ein Shirt mit V-Ausschnitt, alles in Schwarz.
Auf dem Weg zur Kasse fiel ihr Blick auf einen schlichten, halblangen Ledermantel aus der neuen Winterkollektion.
»Gefällter dir?« Christina nahm ihr die Kleidungsstücke ab, damit sie ihn anprobieren konnte. Er passte perfekt.
Amber drehte sich lächelnd vor dem Spiegel.
»Draußen hat es dreißig Grad, und außerdem ist er schwarz!«, sagte Christina, es klang beinahe vorwurfsvoll.
»Meinst du, er gefällt Julius nicht?«
»Doch sicher. Sein Farbgeschmack ist ja auch eher …«
»Düster?«
»Monochrom. Ihr habt euch wirklich gesucht und gefunden!«
»Stell dir vor, wir sind jahrelang in die gleichen Clubs gegangen, und ich habe ihn nie getroffen. Jemanden wie ihn hätte ich sicherlich nicht übersehen!«
»Ein Vampir muss wollen, dass du dich an ihn erinnerst, Amber«, erklärte Christina flüsternd. »Sie sind für normale Menschen fast unsichtbar, dafür brauchen sie noch nicht einmal Magie.«
»Aber jetzt bin ich kein normaler Mensch mehr«, überlegte Amber ernst.
»Nein, jetzt gehörst du zu beiden Welten. Willst du die Klamotten, oder nicht?« Die Latina schob ihre neue Freundin weiter zu Kasse.
Amber weigerte sich, Julius’ Kreditkarte zu benutzen und zahlte selbst.
Auf dem Weg zum Ausgang kamen sie erneut an dem Mann vorbei, der ihr schon zu Anfang aufgefallen war. Er begegnete ihrem Blick und ging dann eilig davon. Amber sah sich kurz nach ihm um, doch dann schenkte sie ihm keine Beachtung mehr.
»Warum hast du selbst gezahlt?«, fragte Christina, während sie die Plastiktüten auf den Rücksitz des Pontiac warf.
»Ich verdiene mein eigenes Geld«, erwiderte Amber trotzig.
Christinasteuerte den Wagen vom Parkplatz. Ein Dodge folgte ihnen, aber Amber beschloss, das als Zufall abzutun.
»Weißt du überhaupt, wie reich dein unsterblicher Freund ist?«, schrie Christina gegen den Lärm der Lüftung an, die auf der höchsten Stufe lief.
»Es wäre vielleicht etwas anderes gewesen, wenn Julius dabei gewesen wäre, aber so …«
»Du hättest ihn doch rufen können. Mit dem dritten Siegel kannst du das auch bei Tag.«
Amber sah ihre Begleiterin niedergeschlagen an. »Ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, wie es geht. Bislang war es immer Julius, der diese Siegel benutzt hat.«
Christina drehte die Lüftung herunter und stieß ungehalten ihren Atem aus. »Wenn du mich fragst: Dein Vampir ist ein Idiot.«
»Er hat mir nichts erklärt, gar nichts«, gab Amber zu.
Der Wagen kroch im Schritttempo über den Santa Monica Boulevard.
»Sobald wir zurück im Lafayette sind, zeige ich dir alles, was du wissen musst, und den einen oder anderen Trick noch dazu«, grinste Christina.
Sie brauchten fast eine Stunde, bis sie San Fernando Valley erreichten. Die Sonne senkte sich bereits über die Berge und ließ die Smogschicht über der Stadt sichtbar werden. Heiße Santa-Ana-Winde schlossen die Feuchtigkeit des nahen Ozeans im Tal ein wie in einem Treibhaus.
Schließlich parkte Christina in einer der Seitenstraßen des Topanga Canyon Boulevard.
»Muss das wirklich sein?«, fragte Amber, während sie Christina über den zerrissenen Beton folgte. »Ich brauche keine Pistole.«
Christina blieb wie angewurzelt stehen.
EinMann war aus dem Schatten eines Alleebaumes getreten und versperrte den Frauen den Weg. Seine Hand hing lässig an seiner Seite. Amber war sofort klar, dass er bewaffnet war.
»Scheiße!«, fluchte Christina und hielt mit einem Mal ihre Pistole in der Hand. »Ein Diener.«
An Christinas Seite ging sie langsam zurück, bis sie eine Mauer hinter sich hatten. Ambers Herz raste. Aber diesmal würde sie sich ihrer Panik nicht hingeben. Sie zwang sich, ruhig zu atmen. Ich kann kämpfen, sagte sie sich. Sie würde ihr Leben nicht so einfach aufgeben.
»Lass die Waffe fallen, Mädchen!«
Die Stimme war von der anderen Seite gekommen. Christina schnellte herum. Dort stand der Mann aus dem Kaufhaus, und in seiner Hand blitzte der Lauf einer Pistole. Beide Männer kamen näher.
»Ich übernehme den Diener, du den Blonden«, wisperte Christina und visierte ihren Gegner an.
Amber war vor Schreck wie gelähmt. Wie sollten sie das schaffen? Die Männer hatten Pistolen, Amber
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