Septemberblut
Indianer zurück und hob abwehrend die Hände. »Nein! Das mache ich nicht!«
Ich löste meine Fänge aus der Kehle des Vampirs und stieß den zuckenden Körper in Brandons Arme. Er hielt den Sterbenden wie etwas Ekelhaftes von sich.
»Töten kannst du, ohne mit der Wimper zu zucken, aber trinken willst du nicht?«, schrie ich. Mit jedem Wort löste sich ein Nebel feiner roter Tropfen von meinen Lippen. »Trink!«, befahl ich. »Trink sein Herz, Brandon!«
Der Indianer ließ das Schwert fallen und starrte mich an. »Bitte, Julius, verlang das nicht von mir!«
»Warum nicht? Ich bin dein Meister!«
»Es ist Unrecht, Tabu.«
»Er stirbt auf die eine oder andere Weise. Trink!« Ich duldete keinen Widerspruch. Diesmal nicht und nie wieder! Wenn er mit mir leben wollte, sollte er sich besser an meine Methoden gewöhnen.
Ich packte ihn im Nacken und drückte seinen Kopf hinunter. Ein Vorgeschmack meiner Magie rauschte durch meinen Arm und gab den Ausschlag. Brandon gehorchte. Unter großem Widerwillen schloss er seinen Mund um die offene Kehle und trank.
»So ist es gut«, lobte ich. »Trink tief und träume.«
Ich wischte mir das Gesicht sauber und mein Zorn verrauchte, als wäre er nie da gewesen.
Fasziniert beobachtete ich Brandon. Er hielt die Augen geschlossen und hatte alles um sich herum vergessen. Im Anblick von Jäger und Beute lag für mich seit jeher eine besondere Schönheit.
Nach wenigen Schlucken setzte das Herz des Verwundetenaus. Brandon hob erschrocken den Kopf. Sein Blick war glasig.
»Weiter, du verpasst das Beste«, sagte ich mit ruhiger Stimme und drückte seinen Kopf wieder hinunter. Zwei tiefe Züge noch, dann verließ die Magie den Körper. Brandon trank sie mit dem letzten Blut, und dann geschah es.
Der Leib des Opfers begann zu zittern, und Brandon bebte mit ihm.
Der Indianer ließ den Körper fallen und starrte mich aus aufgerissenen Augen an. Das war er, der Rausch des letzten Herzschlags!
Ich lächelte und gönnte ihm sein Glücksgefühl.
»Das ist es, was uns früher ausgemacht hat«, sagte ich schwärmerisch. »Wie arm ist das Mahl doch heute, nicht wahr?«
Brandon atmete tief und sah sich in der Halle um wie ein Blinder, dem man gerade das Augenlicht geschenkt hatte. Ich wusste, was er sah, was er fühlte, und ließ ihm Zeit.
Es gab keinen Grund zu hetzen. Wir waren noch immer allein. Vom Boden stieg der warme Geruch von Blut auf, der sich mit der bitteren Schwere zerrissener Eingeweide vermischte.
Ich nahm Brandons Schwert, enthauptete die blutleeren Vampire und reichte ihm die Waffe.
»Bist du okay?«, fragte ich.
Brandon nickte mit riesigen Pupillen. Ich war mir sicher, dass er keinen Gedanken mehr an Reue verschwendete.
»Jetzt verstehst du, warum der Codex verbietet, den letzten Herzschlag zu trinken. Man kann süchtig danach werden. Ich erwarte, dass du deinen Durst unter Kontrolle hast.«
Brandon nickte und stand noch immer ganz unter dem Eindruck des neuen Gefühls. Es war ein lichter Rausch. Das aufregende Leben selbst.
Es gab einen Grund für das Tabu: Wer sich nicht beherrschenkonnte, begann seinesgleichen zu jagen. Brandon war alt genug, so glaubte ich.
Ich fühlte, wie das neue Blut durch seinen Körper rauschte und ihn stärker werden ließ.
»Du brauchst dich nicht dafür zu schämen. Alle Alten werden es heute Nacht tun; Curtis, Liliana, Kathryn, alle Vampire, die vor der Reformation geboren wurden. Das Verbot gilt für die Jungen. Diese Vendetta ist ein rauschendes Fest. Nimm dir, was du willst, und wenn dich dein Gewissen plagt, stell dir vor, dass die Toten in dir weiterleben. In ihrem Blut steckt Gordons Macht, und wir haben Krieg.«
Brandon nickte wieder. »Und Gordon?«, fragte er.
»Bis zum letzten Tropfen, das glaube mir. Ich hoffe, wir finden ihn zuerst! Und jetzt weiter!«
Kapitel40
Amber und Christina hatten sich an der Backsteinmauer der alten Lagerhalle entlang bis in Sichtweite der Fabrik vorgewagt. Die anfängliche Aufregung war einem nagenden Gefühl der Ungewissheit gewichen.
Der letzte Schuss war schon vor einer ganzen Weile verhallt. Jetzt war es still, so schrecklich still. Die einzigen Geräusche stammten von den Nachtfaltern, die wieder und wieder gegen eine der wenigen funktionierenden Laternen in der Straße stießen, und dem fernen Brummen der Freeways.
Es war der Herzschlag der Stadt, ihr Atem, ihr Leben.
Amber liebte und hasste die Stadt, wie sie auch Julius liebte und fürchtete. Nein, ihn liebte sie mehr, auch
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