Septemberblut
Schlösser.
Kapitel43
Daniel Gordon saß in einem Sessel neben seinem Sarg und wartete begierig auf seinen Diener. Er war in der Villa, die er schon lange als Rückzugsort vorgesehen hatte.
Die Zuflucht in South Central hatte ausgedient. Und das nicht nur, weil sein Clan von fast einhundert auf nur noch eine Handvoll Unsterblicher zusammengeschrumpft war. All die vielen Jungen, die in den vergangenen Jahren geschaffen worden waren, hatten ihren Zweck erfüllt und ihre Seelen nun endgültig aufgegeben.
Gordon beklagte sie nicht, wenngleich in seinem Herz ein dumpfer Schmerz wohnte, der von all den Verlusten herrührte. Sein Labyrinth hatte nicht funktioniert. Er hatte nicht daran gedacht, seine Vampire vor Magie zu schützen, das war das Einzige, was er sich vorwarf. Die Meister und der Jäger waren entkommen, aber er hatte trotzdem, wonach er so sehr verlangte.
Gordon nahm Verbindung zu seinem Diener auf. Gleich darauf hörte er dessen Schritte auf der Treppe. Er hatte sich für diese Begegnung so gut gewappnet wie er konnte, zwei junge Vampire eingetauscht, um von dem Voodoohexer erneut ein Amulett zu bekommen. Diesmal lag es um seinen eigenen Hals. Die Kraft des Zaubers war stark, und doch galt es noch die Probe aufs Exempel zu machen.
Nate stieß die Tür auf und verbeugte sich tief. In seinen Händenhielt er eine längliche Bleikiste. Gordon öffnete sie ohne zu zögern und griff hinein.
Am Abend erwachte ich mit dem Gefühl nagender Einsamkeit.
Am liebsten wäre ich aufgesprungen und zu Christina gelaufen, um ihr die entscheidenden Fragen zu stellen. Doch das war sinnlos. Die neugeborene Vampirin würde noch eine ganze Weile schlafen, und es gab nichts, was sie der lähmenden Wirkung des Tages entreißen konnte. Ich musste mich in Geduld üben.
Außer Curtis war noch niemand wach, und der Meister würde mich nicht empfangen. Wenn ich ehrlich war, wollte ich ihm auch nicht begegnen.
Ich hatte Angst vor ihm.
Also blieb ich liegen und wartete.
Hatte ich mich je so alleine gefühlt, bevor ich einen Menschen mit den Siegeln gezeichnet hatte? Die Antwort war nein. Es war, als fehlte ein wichtiger Teil von mir, als hätte mir jemand etwas aus meinem Körper gestohlen und mich mit einem seltsamen Gefühl der Leere zurückgelassen. Ich öffnete meine Siegel weit, so weit, wie ich konnte, und traf nur auf eine dumpfe, wattige Wand.
Kalt war es und unendlich leer. Ich hatte mich so sehr daran gewöhnt, dass wieder etwas Warmes, Lebendiges zu mir gehörte, fast, als wäre ich selber zur Sterblichkeit zurückgekehrt. Oft hatten Schatten von Ambers Empfindungen die Tore durchquert, Glück und Angst gleichermaßen, vor allem aber Wärme.
Jetzt hatte ich nur noch meine eigene Grabeskälte, sie und die Totenmagie, die mich zu dem machte, was ich war, und ichbegann, mich wieder zu hassen. Nie wieder wollte ich mit mir und der Zeit alleine sein!
Lieber wollte ich tot sein, endgültig tot.
Ich lag in meinem Sarg und starrte mit aufgerissenen Augen in die Schwärze meines Gefängnisses. Ich hätte längst aufstehen können, doch ich tat es nicht. Mein Herz hatte seinen ersten Schlag getan, und ich hatte es willentlich wieder angehalten. Ich wollte mich elend fühlen, und eine reglose Leiche in einem Sarg zu sein passte ganz ausgezeichnet zu meiner Stimmung.
Ich verfluchte mich dafür, je zugestimmt zu haben, eine fremde Sterbliche mit den Siegeln zu zeichnen. Wäre das doch alles nur nicht passiert! Ich hatte das Leben gekostet, und jetzt hatte man mich wieder davon ausgeschlossen wie einen räudigen Köter, den man mit einem Tritt vor die Tür beförderte.
Und da lag ich nun und heulte über mein eigenes Elend. Ich wollte Curtis die Schuld daran geben, doch so funktionierte es nicht. Er hatte Amber zu meiner Dienerin befohlen, das war richtig, doch das Schicksal hatte bestimmt, dass wir uns ineinander verliebten.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich diese Erfahrung auf keinen Fall missen wollte. Ob es mir gefiel oder nicht: Für mich hatte die Ewigkeit ihren Wert verloren, wenn ich sie nicht mit Amber teilen konnte.
Mein Herz hatte mir meine Entscheidung abgenommen. In der heutigen Zeit mochte es merkwürdig erscheinen, sich derart schnell an einen Menschen zu binden, doch ich stammte aus einer anderen Epoche, und ich glaubte an das Schicksal. Wenn es noch eine Chance für meine Geliebte und mich gab, oder auch nur für sie, dann würde ich jeden noch so steilen Weg gehen.
Amber
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