Septemberblut
Ich musste über diese Geste lächeln.
Jetzt hatte sie mich auch gesehen und strahlte mich an.
»Willkommen in der Nacht«, sagte ich feierlich und trat näher.
Christinas Lächeln wurde noch breiter. Getrocknetes Blut fiel in Krümeln von ihren Wangen. Für einen Sterblichen musste sie zum Fürchten aussehen. Für mich war sie wunderschön.
Ihr Blick wanderte von Brandon zu mir, von mir zu Brandon, und sie strahlte wie ein Kind.
Sie wollte sich erheben, doch dann traf sie der Hunger mit voller Wucht. Sie zuckte zusammen, presste eine Hand auf ihren Bauch und schrie verzweifelt. Der heftige Schmerz riss sie von den Beinen. Brandon fing ihren Fall ab und hob sie aus dem Sarg.
Christina zitterte in seinen Armen und krümmte sich wie ein Junkie auf Entzug.
»Halt aus. Wir gehen gleich jagen«, versuchte Brandon sie zu beruhigen und drückte Küsse auf ihre Stirn.
Nein,so lange konnte ich nicht warten. »Erst muss ich wissen, was gestern geschehen ist.«
Christina sah mich an und bleckte die Zähne wie ein tollwütiger Hund. Ihre geröteten Augen zuckten umher und fanden nichts, was ihr helfen konnte.
»Chris kann doch jetzt keine Fragen beantworten, Julius, bitte. Sieh sie dir doch an!« Brandon drückte seine Freundin verzweifelt an sich, als hätte seine Nähe ihr Leid lindern können. Doch ihr konnte nur eines helfen: Blut.
Christina verlor die Nerven und schrie, ihre Zähne bissen in die Luft.
Dies war der Augenblick, in dem sich das Schicksal eines neu erwachten Vampirs entschied. Diejenigen, die gegen die Bestie namens Hunger verloren, endeten früher oder später unter meinem Schwert.
Christina begann wie wild um sich zu treten, und Brandon hatte Mühe, sie zu halten, ohne ihr weh zu tun. »Das geht nicht mehr lange gut. Sie muss jagen!«, rief er verzweifelt.
»Nein.« Meine Entscheidung war klar.
»Sie leidet! Bitte, Julius.«
»Nein, zuerst will ich Antworten«, beharrte ich. »Gib du ihr, was sie verlangt.«
Christina erstarrte mitten in der Bewegung. Sie wurde ruhiger und starrte Brandon mit gieriger Verzweiflung an. Dass er sie an seinen nackten Oberkörper drückte, verbesserte die Lage nicht. Christina reckte sich mit aufgerissenem Mund nach seinem Hals.
Brandon war ihr Verhalten unheimlich. Er stellte sie auf ihre Füße und hielt sie mit ausgestreckten Armen auf Abstand. Das war nicht die Christina, die er kannte. Dieses blutrünstige Wesen war jemand ganz anderes.
In diesem Moment fürchtete ich, dass ihr Verstand die Umwandlungnicht unbeschadet überstanden hatte, und Brandon schien die Sorge zu teilen.
Ein tiefes Grollen stieg aus Christinas Kehle auf, und sie fletschte die Zähne.
Das war der Punkt, an dem ich eingreifen musste. Wenn Christina Brandon jetzt angriff, anstatt das Blut als Geschenk von ihm zu erhalten, dann war dies der erste Schritt zu ihrer Vernichtung.
Beherzt fasste ich Christinas Arme und drehte sie ihr mit einer schnellen Bewegung auf den Rücken. Sie versuchte sich loszumachen, schrie wütend auf und fauchte. Brandon war froh, von ihr fortzukommen.
Die junge Unsterbliche wand sich, doch sie konnte nichts gegen meine Kraft unternehmen. Ich hätte ihr ohne Anstrengung die Arme brechen können. Christina gab ihren Widerstand auf und zischte wie eine wütende Schlange.
Ich versuchte, ihr Bewusstsein zu erreichen, doch es war ein einziges Durcheinander. Ihre Augen rollten wild in den Höhlen – in diesem Zustand war es unmöglich, Kontakt herzustellen.
Ich konzentrierte mich, während Christina erneut zu toben begann, und dann stieß ich Magie in sie hinein. Mühelos brach ich ihre Schilde und griff mit unsichtbarer Hand nach ihrem Herzen.
Sie schrie wie am Spieß.
Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie weh das tat, doch manchmal half nur Schmerz. Ich legte meine Wange an ihren Kopf. »Still«, flüsterte ich, »still, mein Kind.«
Christina erstarrte, nur ihre geröteten Augen flackerten noch umher. Ich löste meine Hände, hielt aber weiterhin ihr Herz umfangen und trat vor sie.
Sie zitterte am ganzen Körper.
»Sieh mich an, Christina«, befahl ich mit ruhiger Stimme.
Jetztgaben auch ihre Augen auf. Sobald ich ihre volle Aufmerksamkeit hatte, lockerte ich den tödlichen Griff, aber meine Magie war noch immer da, lag als Drohung direkt über ihrem Herzen. Christina presste beide Hände auf die Brust und starrte mich an, als sähe sie mich zum ersten Mal.
Vampirmeister regierten mit Wort und Gewalt. Jetzt hatte ich es auch getan.
»Wer bin ich?«,
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