Septemberblut
zitternden Beine wie ein sterbendes Tier. Ich war so schwach, dass ich nicht einmal mehr sehen konnte. Blind in meinem ausgelaugten Körper gefangen, trieb ich in die Bewusstlosigkeit.
Allein, ganz allein.
Kapitel45
Amber schlug die Augen auf.
Nach und nach klärte sich ihre Sicht. Ihr Körper fühlte sich an, als sei er in Watte gepackt. Sie lag auf dem Boden.
Grobe Decken nahmen dem Beton seine Härte. Die Wände waren weiß gekachelt, eine Leuchtstoffröhre flackerte in einem psychotischen Rhythmus. Das Licht schmerzte in den Augen.
Amberhob eine Hand, um es abzuschirmen, und wunderte sich, dass sie nicht gefesselt war. Die Erinnerung an den Kampf kehrte zurück.
Wo war Christina?
Tot wahrscheinlich, wurde ihr plötzlich klar. Sie versuchte, die in ihr aufsteigenden Tränen herunterzuschlucken, doch der Schmerz blieb wie ein Stein in ihrer Kehle stecken.
Anscheinend hatte man sie betäubt und verschleppt. Das Messer war fort. In ihrer Schulter ertastete Amber den Einstich der Spritze, umrahmt von einem Bluterguss. Der Vampir hatte ihr die Nadel mit aller Wucht ins Fleisch gerammt, doch wenn sie ihre Erinnerungen nicht trogen, hatte sie sich mit dem Messer revanchiert.
Das Letzte, woran sie sich erinnerte, waren Julius’ Worte in ihrem Kopf: Halte durch, wir sind gleich da!
Sie hatte nicht durchgehalten, oder er war nicht gekommen.
Langsam machte das seltsam leichte Wattegefühl in ihrem Körper schwerer Müdigkeit Platz. Sie setzte sich auf, doch ihr Kopf schien die Bewegung nur mit einiger Verzögerung mitzumachen. Als Nachwirkung des Betäubungsmittels hämmerte ein dumpfes Dröhnen gegen ihre Schädeldecke, und ihr war übel.
Amber stützte sich an der Wand ab, stand vorsichtig auf und sah an sich hinab. Ihre Knie waren weich wie Butter.
Mit ungelenken Schritten lief sie zu der massiven Metalltür, dem einzigen Ausgang. Ihre Hand schloss sich um die Klinke.
Abgeschlossen. Natürlich war abgeschlossen.
Amber durchmaß den kleinen Raum mit vier Schritten. Angst schnürte ihr die Luft ab. Sie kämpfte sie nieder und ballte die Fäuste. Einen klaren Kopf zu behalten war jetzt das Wichtigste.
Jemandwürde sie retten. Julius würde kommen und sie befreien. Julius!
Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie ihn nicht fühlen konnte. Die Verbindung war zerschnitten.
Neue Panik machte sich breit. Was, wenn sie ihn auch gefasst hatten? Wenn er tot war?
Amber schlug an die Tür und schrie. »Julius, Julius, kannst du mich hören?!«
Vielleicht ist er ganz in der Nähe, versuchte sie sich einzureden, gleich im nächsten Raum, gefangen wie ich.
Sie presste ihr Ohr an die Tür. Richtig, da waren Schritte! Amber trommelte mit beiden Fäusten gegen das Metall. »Julius, ich bin hier!«
Die Schritte kamen näher. Amber hörte ein Schlüsselbund klirren, das Schloss öffnete sich und die Tür wurde aufgestoßen. Amber wich zurück, doch der Vampir, der im nächsten Moment eintrat, bewegte sich mit übermenschlicher Geschwindigkeit. Amber schrie, dann schlug der Angreifer die Zähne in ihre Schulter. Sie kämpfte gegen den Schmerz an, gegen den Ekel, gegen die knochenharten Hände des Unsterblichen, der sie mit erbarmungslosem Griff umklammerte.
Schließlich ließ der Vampir von ihr ab und spuckte ihr das eigene Blut ins Gesicht. Amber wischte sich die Augen und spürte nur noch, wie ihr der Mann eine neue Spritze in den Arm rammte. Dann sank sie wieder in die Welt aus Watte.
» Julius « , dachte sie, » warum lässt du mich hier sterben? «
Ich erwachte mit zitternden Gliedern.
Das Ziehen und Spannen in meinem ausgelaugten Körper war so schlimm, dass ich glaubte, mich nie wieder ausstrecken zu können.
DieSchwärze war konturlosen Schemen gewichen. Ich konnte wieder verschwommen sehen, doch was ich sah, war schrecklich. Meine Hände waren nur noch Haut und Knochen und die Nägel stachen bläulich hervor. Mein Herz schlug nicht mehr, sondern lag als kalter, verdorrter Klumpen in meiner Brust.
Amber. Hatte ich nicht eben ihre Gegenwart gespürt, ihre Angst, ihre Einsamkeit? Nein, das konnte nicht sein. Sie war fort, Gordon hatte sie geraubt.
Von weitem trieben Stimmen an mein Ohr.
Ich erkannte Robert. Der Diener klang besorgt, erwähnte meinen Namen, aber den Sinn der Unterhaltung konnte ich nicht verstehen. Sollten sie mich doch hier liegenlassen, mir war alles egal.
»Dort ist er«, sagte Robert.
Lange Beine in einer schwarzen Wildlederhose rannten auf mich zu. Brandon, es war Brandon.
Ich
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