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Septemberblut

Titel: Septemberblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebekka Pax
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sie.
    Charly hob den Kopf und sah sie aus geröteten Augen an.
    »Wie kannst du nur so kalt sein?«, fragte sie und tupfte sich die tränenfeuchten Augen. »Trauerst du denn gar nicht um deinen Bruder?«
    Das war genug. Amber sprang auf und ging einige hektische Schritte.
    Sierang nach Worten. Schließlich blieb sie vor einem Sideboard mit einigen Bilderrahmen stehen. Es waren Fotos einer glücklichen Familie, Momentaufnahmen aus einem fremden Leben, das ganz offensichtlich ungleich besser verlief als ihr eigenes.
    »Amber, ich habe dich etwas gefragt.«
    »Natürlich trauere ich, Mutter. Aber nicht jeder kann sich die Augen ausheulen wie du.« Amber bereute ihre Worte sofort. Im nächsten Augenblick kamen auch ihr die Tränen. »Oh Gott, wann kommt dieser Mensch endlich!« Plötzlich war Amber wütend auf diesen blonden Mittvierziger, der sie von den Fotos angrinste.
    Die Wut half die Tränen zurückzudrängen. Amber stopfte die Trauer an eine Stelle in ihrem Herz, wo es nicht ganz so weh tat, und dachte krampfhaft an ihre Verabredung. Ablenken, nur ablenken, beschwor sie sich.
    In einem der Rahmen konnte sie beobachten, wie ihr Spiegelbild zu einer Maske erstarrte. Amber wusste, dass sie auf andere Menschen oft kalt wirkte, aber das war ihr lieber, als sich so gehen zu lassen, wie es ihre Mutter Charly tat. Irgendwie würde sie die kommende Zeit schon durchstehen, irgendwie.
    Kapitel6
    Ich erwachte, noch ehe die Sonne im Meer versank.
    Die Luft in meinem kleinen Reich war kühl und ein wenig feucht vom nahen See. Ich hatte mir die Gruft vor allem deshalb ausgesucht.
    DerTod saß noch in meinen Beinen, und ich wartete ungeduldig, bis die Taubheit auch dort nachließ und das Leben mich für die kurze Dauer einer Nacht wiederhatte. Diese Minuten waren die schlimmsten, die kurze Spanne, in der ich weder das eine noch das andere war. Sobald ich meine Mobilität gänzlich zurückerlangt hatte, stieg ich aus dem Sarg, strich Zudecke und Kopfkissen glatt und schob den Deckel zu. Vom Tischchen daneben lächelte mich ein blankpolierter Schädel an. Er hatte der vormaligen Bewohnerin dieses hübschen Plätzchens gehört, einem Filmstarlet aus den Zwanzigern, das sich totgesoffen hatte.
    Im Kerzenlicht wusch ich mich, zog mich um und übertünchte den schwachen Erdgeruch meiner Haut mit etwas Parfum.
    Bald war es so weit und ich würde Amber wiedersehen.
    Der Gedanke ließ mich eilen. Schnelle Schritte trugen mich die Treppe hinauf. Oben blieb ich vor der verschlossenen Tür stehen. Erst nachdem ich mit all meinen Sinnen nach unliebsamen Beobachtern geforscht hatte, verließ ich mein Refugium.
    Es war die magische Stunde, und der Friedhof gehörte mir ganz allein. Noch stand ein Rest Licht am Himmel und wärmte meine Haut fast unangenehm.
    Lange Palmenschatten tanzten über das kurzgeschorene Gras, Kolibris schwirrten wie dicke Hummeln über den Rosenbüschen. Bei den Blumenrabatten pflückte ich für Amber rote und weiße Rosen, dann ging ich zum Tor.
    Mein Friedhof, der den feinen Namen Hollywood Forever Cemetery trug, lag als grüne Oase zwischen heruntergekommenen Wohnhäusern und kleinen Autowerkstätten und grenzte mit dem Haupteingang an den vielbefahrenen Santa Monica Boulevard.
    Ich trat durch das kleine Seitentor und schloss wieder ab. DieNebenstraße lag wie ausgestorben, nur in einer Werkstatt wurde noch im Lampenschein gearbeitet.
    Meine Uhr zeigte eine knappe halbe Stunde bis acht, ich musste mich beeilen. Schnell zu laufen, ohne aufzufallen, erforderte meine ganze Konzentration. Im Zickzack schlängelte ich mich durch Nebenstraßen.
    Bald stürzte der Lärm der La Brea Avenue auf mich ein. Dann erreichte ich den Sunset und überquerte an einer Ampel die Straße.
    Weißes Neonlicht brachte die Buchstaben über dem Toi on Sunset zum Strahlen. Der Eingang klaffte wie eine finstere Höhle in der Häuserwand.
    Ich war schnell gewesen und hatte noch fünf Minuten Zeit.
    Vor der Tür des Ladens wartete ein Metalfreak mit bodenlanger schwarzer Schürze und einem Bart, der so lang war, dass er sich hin und wieder im nietenbesetzten Gürtel verfing.
    Es war einer der Kellner. Er rauchte. Auf den ersten Blick würde hier kaum jemand das beste Thaifood der Stadt erwarten. Laute Rockmusik dröhnte aus dem Restaurant, und es duftete nach Kokosmilch und exotischen Gewürzen.
    Amber verspätete sich. Als sie schließlich aus dem Taxi stieg, wirkte sie überrascht, dass ich überhaupt noch da war. Ich konnte nicht anders als zu

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