Septembermann: Lovestory (German Edition)
am Frankfurter Flughafen, der direkt von einem Geschäftstreffen aus Petersburg in die Main-Metropole eingeflogen ist.
„How are you?“, begrüßt er seinen deutschen Mitarbeiter. „Sie werden Ihre spontane Entscheidung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten für ein halbes Jahr zu jo bben, nicht bereuen. Große Herausforderungen warten auf Sie. Mein Happening in St. Peterburg ist aufschlussreich gewesen. Es bahnt sich ein brillanter Auftrag an und eventuell lassen wir bald die Wodkagläser klingen. Auf dem Weg zum Airport bin ich mit dem Leihwagen in eine Polizeikontrolle geraten. Guten Tag, ihr Rücklicht ist defekt, das kostet sechzig Mark. Wenn sie die Zündkerzen mit auswechseln, sind wir im Geschäft, hab ich ungeniert geantwortet.“
Ist das amerikanischer Humor?, überlegt Sascha. Der kam bisher beim Telefonieren nicht rüber.
„Woher sprechen Sie so gut Deutsch, Mr. Miller?“
„Meine Granny stammt aus Suhl. Ich war ein Bengel, als meine Eltern ausgewandert sind.
Meine Kindheitserinnerungen bewahre ich tief hier dri nnen.“ Demonstrativ ballt Mister Miller die Faust vor seinen Brustkorb.
„Suhl?“
„Die reizende Stadt in Thüringen kennen Sie nicht?“
„Sorry, no. Ich habe familiäre Bindungen im Vogtlan dkreis. Darüber hinaus habe ich einige Städte in Neuostland besucht, auch Thüringen ist mir ein Begriff. Suhl leider nicht“, erwidert sein Mitarbeiter. Einen Moment hält er inne um sein Herzticken zu steuern, als er das Haus seiner Schwiegereltern Ingrid und Horst vor sich sieht.
„Thüringen: Weimar. Goethe. Schiller. Eisenach. War tburg. Sonneberg die Spielzeugstadt. Das Lauscha der Glasbläser. Zeissoptik Jena. Altenburg das Spielkartenparadies. Das Wanderparadies Rennsteig. Das Suhler Rathaus ist eine Fachwerkpracht und der Waffenschmied das Wahrzeichen.“
„Sie sind superinformiert, Mister Miller?“
„Ich glaube, das Älterwerden bringt es mit sich. Back to the Roots. Als Rentner nehme ich mir vor, intensiver hinter die geschichtsträchtige Kulisse meiner Heimat zu schnuppern. Eines Tages höre ich auf die Stimme meines Herzens, wenn es sich nach Heimaterde sehnt, nur so findet man seinen Frieden.“
Die letzten Worte sind wie Messerstiche in Saschas Seele. Dass er diesem Ruf nicht g efolgt ist, bereut er bereits jetzt.
*
„ Es ist, wie es ist, schauen wir nach vorn und nicht zurück, Cora“, agiert Jane als starke Emanze. Erneut zieht das Bild von Peter durch ihre Gedankenwelt.
„Träumst du?”, erkundigt sich Cora.
„Ein wenig.”
„Ich ahne von wem. Ach, das habe ich fast vor lauter Sentimentalitäten vergessen.“ Cora kramt in ihrer Schu ltasche nach dem Buch mit dem Titel Schön schwanger .
„Ich habe ein paar Kapitel über eineiige Zwillinge gel esen, es ist möglich, dass unsere zwei Aprikosen verschiedene Papas haben. Samenzellen bleiben achtundvierzig Stunden in der Gebärmutter befruchtungsfähig. Das heißt, sowohl Sascha und Peter kämen als Daddys infrage.“ Cora hebt den Zeigefinger. „Wie geht’s unseren Kleinen?”
„Sie gedeihen und meine Brüste werden praller.”
„Zeig mal. Mein Gott, ist das sexy.”
„Hör auf! In ein paar Monaten findest du mich zum Auf-und- Davonlaufen. He, Miss Dicki, mach mal Platz, ich komme an deinem Vorbau nicht vorbei“, keift Jane.
„So’n Quatsch. Ich schaue meinen Patenkindern beim Wac hsen zu.”
Danach blättern die Freundinnen intensiv durch den Ratgeber, bis Cora hochschnellt.
„Sorry, Jane ich muss zur Elternve rsammlung. Cora hastet durch den Flur ins Treppenhaus. In der zweiten Etage hört sie Schritte. Ein Riesenblumenstrauß auf zwei Beinen kommt ihr entgegen. Sie muss ausweichen.
„Herr Schneider?” Cora bleibt angewurzelt stehen, als sie hinter dem Gebinde aus du ftenden Blüten Peters Gesicht sieht.
„Sie müssen Cora sein.”
„Woher wissen Sie meinen Vornamen?”
„Von Tino , ich bin Peter.“ Er drückt ihr einen Freudenkuss auf die Wange und saust nach oben, getrieben von einem kolossalen Schub seiner Zuversicht. In ihm steigert sich der Wunsch, in ein neues Leben aufzubrechen und das alte zurückzulassen. Peter fühlt sich vor Herzklopfen wie ein Teenager.
Cora tritt mit einem „Juhu” Schrei aus der Haustür.
„So schön war’s?“, spricht sie ein Passant an.
„Ich hoffe, es wird noch viel viiiiiiel schöner.“ Sie lacht ihm zu und steigt aufs Fahrrad. Schicksal, das war Ma ßarbeit! Die Wege der Liebe sind unergründlich. Hoffentlich
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