Septimus Heap 01 - Magyk
blickte zu seinem neuen Kapitän, der sich mit seinem Schiffskameraden am Ruder mühte. Sein roter Hut war vom Regen durchweicht, und Wasser lief ihm übers Gesicht.
Wohin soll ich fahren?, fragten die grünen Augen des Drachen.
Junge 412 verstand den Blick.
»Marcia?«, schrie er so laut er konnte Jenna und Nicko zu.
Beide nickten. Diesmal wollten sie es tun.
»Marcia!«, rief Junge 412 zum Drachen hinauf.
Der Drache blinzelte verständnislos. Wo lag Marcia? Von dem Land hatte er noch nie gehört. War es weit weg? Die Königin würde es wissen.
Er senkte den Kopf und schleuderte Jenna in die Höhe, so wie er es im Lauf der Jahrhunderte im Spaß mit vielen Prinzessinnen getan hatte. Doch im heulenden Wind machte das Jenna eher Angst. Ehe sie sich’s versah, flog sie über den wogenden Wellen durch die Luft und landete, von Gischt durchnässt, ganz oben auf dem goldenen Kopf des Drachen, und zwar direkt hinter den Ohren. Sie hielt sich an ihnen fest, als hänge ihr Leben davon ab.
Wo liegt Marcia, meine Königin? Ist es eine lange Fahrt?, hörte Jenna den Drachen hoffnungsvoll fragen, als freue er sich schon darauf, mit der neuen Besatzung monatelang auf der Suche nach dem Land Marcia über die Ozeane zu segeln.
Jenna ging das Wagnis ein, eines der beiden überraschend weichen Ohren loszulassen, und deutete auf die rasch näher kommende Vergeltung.
»Marcia ist dort. Sie ist unsere Außergewöhnliche Zauberin und wird auf dem Schiff da gefangen gehalten. Wir wollen sie wiederhaben.«
Wieder drang die Stimme des Drachen zu ihr, wenn auch ein wenig enttäuscht, dass sie keine größere Reise unternahmen. Ihr Wunsch ist mir Befehl, meine Königin.
Tief im Bauch der Vergeltung lauschte Marcia Overstrand dem Sturm, der über ihr tobte. Der Ring, den ihr Junge 412 gegeben hatte, steckte am kleinen Finger ihrer rechten Hand, weil er auf keinen anderen passte. Sie saß im dunklen Laderaum und sann darüber nach, wie der Junge den lange vermissten Drachenring des Hotep-Ra gefunden haben konnte. Es gab verschiedene Möglichkeiten, doch keine hielt sie für wahrscheinlich. Und doch hatte er ihn gefunden, und der Ring hatte ihr, wie früher schon Hotep-Ra, einen wunderbaren Dienst erwiesen: Er hatte sie von ihrer Seekrankheit geheilt. Und er stellte langsam ihre magischen Kräfte wieder her. Sie spürte, wie sie nach und nach zurückkamen und wie gleichzeitig die Schatten, die sie im Verlies Nummer eins gepeinigt hatten und seitdem verfolgten, von ihr wichen. DomDaniels Wirbel des Schreckens verlor seine Wirkung. Marcia wagte ein schwaches Lächeln. Es war das erste Mal seit vier langen Wochen, dass sie lächelte.
Neben ihr lagen in sich zusammengesackt ihre drei seekranken Wächter und stöhnten Mitleid erregend. Sie bereuten, dass sie nicht schwimmen gelernt hatten. Dann hätte man sie längst über Bord geworfen.
Oben an Deck saß DomDaniel kerzengerade auf seinem Ebenholzthron. Rings um ihn wütete der Sturm, den er heraufbeschworen hatte, und neben ihm schlotterte sein unglücklicher Lehrling. Eigentlich sollte der Junge ihm bei der Vorbereitung des letzten Blitzschlags helfen, doch er war so seekrank, dass er nur mit glasigen Augen vor sich hinstierte und von Zeit zu Zeit ein Stöhnen von sich gab.
»Ruhe, Junge!«, blaffte DomDaniel, der sich darauf konzentrierte, die elektrischen Kräfte zu dem mächtigsten Blitz, den er jemals erzeugt hatte, zu bündeln. Bald, so dachte er triumphierend bei sich, würde nicht nur die schäbige kleine Hütte dieser lästigen Hexe, sondern die ganze Insel in einem blendenden Blitz verdampfen. Er spielte mit dem Amulett des Außergewöhnlichen Zauberers, das nun wieder dort hing, wo es hingehörte, nämlich um seinen Hals und nicht um den dürren Hals einer Bohnenstange von Zauberin, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte.
DomDaniel lachte. Alles war so einfach.
»Schiff ahoi!«, rief eine schwache Stimme aus dem Ausguck. »Schiff ahoi!«
DomDaniel fluchte.
»Stör mich nicht!«, brüllte er, das Heulen des Winds übertönend, nach oben und sprach einen Zauber, der den Matrosen mit einem Schrei in die brodelnden Fluten stürzen ließ.
Aber seine Konzentration war dahin. Und als er versuchte, die Elemente für den letzten entscheidenden Schlag wieder in seine Gewalt zu bringen, stach ihm etwas ins Auge.
Ein schwaches goldenes Glimmen näherte sich aus der Dunkelheit seinem Schiff. Er tastete nach seinem Fernrohr und setzte es ans Auge. Er konnte nicht glauben, was
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