Septimus Heap 01 - Magyk
verschlagen, und der Blick seiner kohlschwarzen Augen blieb am Amulett hängen.
»Berührt ihn nicht«, warnte Marcia. »Keiner.«
Jenna war verdutzt über Marcias Ton, entfernte sich aber vom Lehrling. Nicko folgte ihrem Beispiel. Junge 412 ging hinüber zu Marcia.
Der Lehrling blieb allein am Kamin zurück. Er blickte in die Runde. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Sie sollten Mitleid mit ihm haben. Wie das Königsbalg. Die hatte er bereits herumgekriegt. Und die verrückte Weiße Hexe. Zu dumm, dass die ehemalige Außergewöhnliche Zauberin im falschen Moment aufgetaucht war und ihm dazwischengefunkt hatte. Er blickte missmutig drein.
Jenna sah den Lehrling forschend an. Er wirkte irgendwie anders als sonst, aber sie kam nicht dahinter, woran es lag. Wahrscheinlich hatte es damit zu tun, dass er auf dem Schiff eine furchtbare Nacht gehabt hatte. Jeder hätte diesen finsteren, gehetzten Blick, wenn hunderte kreischende Braunlinge versucht hätten, ihn in den Wabberschlamm hinunterzuziehen.
Doch Marcia wusste, warum der Junge anders aussah. Bei ihrem Spaziergang um die Insel hatte sie nämlich eine Beobachtung gemacht, bei der ihr beinahe das Frühstück wieder hochgekommen wäre, auch wenn zugegebenermaßen nicht viel passieren musste, damit ihr Tante Zeldas Frühstück wieder hochkam.
Daher ließ sie sich nicht überrumpeln, als der Lehrling plötzlich in die Höhe schnellte und ihr mit ausgestreckten Armen an die Kehle sprang. Sie entwand das Amulett seinem gierigen Griff und schleuderte ihn mit einem krachenden Feuerblitz zur Tür hinaus.
Der Lehrling blieb besinnungslos auf dem Weg liegen.
Die anderen umringten ihn.
Tante Zelda war entsetzt. »Marcia«, murmelte sie. »Ich fürchte, Sie sind zu weit gegangen. Er mag der unausstehlichste Junge sein, der mir je untergekommen ist, aber er ist trotzdem ein Kind.«
»Nicht unbedingt«, entgegnete Marcia grimmig. »Und ich bin noch nicht fertig. Tretet bitte zurück, alle.«
»Aber«, hauchte Jenna, »er ist doch unser Bruder.«
»Ich glaube nicht«, sagte Marcia scharf.
Tante Zelda legte ihr die Hand auf den Arm. »Marcia, ich weiß, dass Sie wütend sind. Das ist nach Ihrer Gefangenschaft nur zu verständlich, aber Sie dürfen Ihre Wut nicht an einem Kind auslassen.«
»Ich lasse sie nicht an einem Kind aus, Zelda. Sie sollten mich besser kennen. Das ist kein Kind. Das ist DomDaniel.«
»Was?«
»Und ich bin keine Schwarzkünstlerin«, fuhr Marcia fort. »Ich vernichte niemals ein Leben. Ich kann ihn nur dorthin zurückbefördern, wo er war, als er diese abscheuliche Tat begangen hat, und dafür sorgen, dass er keinen Nutzen davon hat.«
»Nein!«, schrie DomDaniel in der Gestalt des Lehrlings.
Er fluchte mit der dünnen, schrillen Stimme, mit der zu sprechen er gezwungen war. Sie war ihm schon auf die Nerven gegangen, als sie noch diesem elenden Wicht gehört hatte, aber nun, da sie ihm gehörte, war sie ihm unerträglich.
DomDaniel rappelte sich auf. Er wollte nicht wahrhaben, dass sein Plan, sich das Amulett zurückzuholen, gescheitert war. Er hatte sie alle zum Narren gehalten. Sie hatten ihn aus falschem Mitleid aus dem Wasser gefischt, und sie hätten sich auch weiterhin um ihn gekümmert. Bei der ersten günstigen Gelegenheit hätte er sich das Amulett geschnappt und dann – ach, wie anders wäre alles gekommen. Verzweifelt unternahm er einen letzten Versuch. Er warf sich auf die Knie.
»Bitte«, flehte er. »Sie irren sich. Ich bin es nur. Ich bin nicht...«
»Hinweg mit dir!«, befahl ihm Marcia.
»Nein!«, schrie er.
Doch Marcia fuhr fort:
»Hinweg mit dir.
Dorthin, wo du warst,
als du warst,
was du warst!«
Und fort war er, wieder auf der Vergeltung , in der dunklen Tiefe aus Schlamm und Morast.
Tante Zelda blickte empört. Sie wollte noch immer nicht glauben, dass der Lehrling in Wahrheit DomDaniel war. »Sie haben etwas Furchtbares getan, Marcia«, sagte sie. »Der arme Junge.«
»Von wegen armer Junge«, raunzte Marcia. »Kommt mit, ich muss euch etwas zeigen.«
* 47 *
47. Der Lehrling
M a rcia legte trotz ihrer Galoschen ein flottes Tempo vor, und die anderen folgten ihr. Tante Zelda musste immer wieder in Laufschritt fallen, um mitzuhalten. Sie erschrak, als sie die Schäden sah, die das Hochwasser angerichtet hatte. Überall Schlamm, Seetang und Dreck. Letzte Nacht, im Mondschein, hatte alles halb so schlimm ausgesehen. Außerdem war sie erleichtert gewesen, dass alle noch lebten. Da hatte ihr ein bisschen
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