Septimus Heap 01 - Magyk
die Beute entwischt war. In sicherem Abstand folgte ihm die kleine Gestalt eines Jungen.
Der Junge hatte das grüne Alltagsgewand eines Zaubererlehrlings an, doch im Unterschied zu jedem anderen Lehrling trug er um die Hüfte eine rote Schärpe, die drei schwarze Sterne schmückten. Die Sterne DomDaniels.
Doch in diesem Augenblick achtete der Jäger nicht auf den Lehrling DomDaniels. Er stand reglos da, ein kleiner, kräftig gebauter Mann mit dem kurz geschorenen Haar eines Gardisten. Sein Gesicht war braun und zerfurcht nach all den Jahren, die er im Freien damit zugebracht hatte, menschliches Wild zu jagen und zur Strecke zu bringen. Er trug die übliche Jägerkleidung: eine dunkelgrüne Uniform, einen Kurzmantel und dicke braune Lederstiefel. Um seine Taille schlang sich ein breiter Ledergürtel, an dem ein Messer mit Scheide und ein Kugelbeutel hingen.
Der Jäger lächelte grimmig. Sein Mund dehnte sich zu einer schmalen Linie, deren Enden entschlossen nach unten strebten, und die blassblauen Augen verengten sich zu wachsamen Schlitzen. So musste eine Jagd sein! Ausgezeichnet, nichts liebte er mehr als die Jagd. Jahrelang hatte er sich in der Meute emporgearbeitet und schließlich sein Ziel erreicht. Er war Jäger, der beste der Meute, und auf einen Augenblick wie diesen hatte er gewartet. Hier stand er und jagte nicht nur die Außergewöhnliche Zauberin, sondern auch die Prinzessin, das Königsbalg. Er freute sich auf eine unvergessliche Nacht: Spur aufnehmen, verfolgen, jagen, in die Enge treiben und töten. Kein Problem, dachte er, grinste noch breiter und entblößte im kalten Mondlicht seine spitzen kleinen Zähne.
Er richtete seine Gedanken auf die Jagd. Sein Gefühl sagte ihm, dass die Vögel ausgeflogen waren, aber als gewissenhafter Jäger durfte er keine Möglichkeit außer Acht lassen. Deshalb hatte er einen Mann in den Schacht geschickt und ihm befohlen, alle Ausgänge bis zum Zaubererturm zu überprüfen. Dass dies wahrscheinlich unmöglich war, störte ihn nicht. Ein Meutenwächter war der Niedrigste der Niedrigen, ein Entbehrlicher, der seine Pflicht tun musste, und wenn es ihn das Leben kostete. Der Jäger war früher selbst Entbehrlicher gewesen, aber nicht lange – dafür hatte er gesorgt. Und jetzt, so dachte er mit einem Schauder der Erregung, jetzt musste er die Spur finden.
Die Müllkippe lieferte jedoch wenig Hinweise, selbst für einen erfahrenen Spurenleser wie ihn. Die Wärme, die bei der Zersetzung der Abfälle entstand, hatte den Schnee zum Schmelzen gebracht, und da unablässig Ratten und Möwen im Müll wühlten, waren bereits alle Spuren verwischt. Ausgezeichnet, dachte der Jäger. Wenn keine Spur da war, musste er das Gelände erkunden.
Von seinem Aussichtspunkt auf dem Müllberg beobachtete er mit zusammengekniffenen Augen die mondhelle Umgebung. Hinter ihm ragten die dunklen Mauern der Burg empor, deren Zinnen sich scharf gegen den kalten hellen Sternenhimmel absetzten. Vor ihm, am anderen Flussufer, wellte sich das fruchtbare Ackerland, und am fernen Horizont machte er den gezackten Kamm der Grenzberge aus. Er betrachtete die verschneite Landschaft lange und gründlich, doch er entdeckte nichts, was für ihn von Interesse war. Dann richtete er sein Augenmerk auf die unmittelbare Umgebung unter ihm. Sein Blick folgte dem Lauf des Flusses, der links von ihm um die Biegung hervorkam und dann mit starker Strömung nach rechts floss, vorbei an dem schwimmenden Cafe, das sich sanft auf den Wellen wiegte, und vorbei an dem kleinen Kai, an dem vertäute Boote lagen, bis er etwas weiter stromabwärts hinter dem Rabenstein, einer zerklüfteten, das Wasser überragenden Felsnase verschwand.
Der Jäger lauschte auf Geräusche, die vom Wasser aufstiegen, doch er hörte nur die Stille, die sich einstellt, wenn das Land unter einer Schneedecke versinkt. Er suchte das Wasser nach Hinweisen ab – vielleicht ein Schatten unter dem Ufer, ein aufgescheuchter Vogel, ein verräterisches Kräuseln der Oberfläche –, doch er konnte nichts entdecken. Gar nichts. Alles war seltsam still und starr. Der dunkle Fluss wand sich lautlos durch die Schneelandschaft, die im Licht des Vollmondes glitzerte. Er war eine ideale Nacht zum Jagen, dachte der Jäger.
Er stand reglos da und wartete gespannt darauf, dass ihm etwas ins Auge fiel.
Beobachten und warten ...
Dann fiel ihm etwas ins Auge. Ein weißes Gesicht hinter dem Fenster des Cafes. Ein angsterfülltes Gesicht, ein Gesicht, das etwas wusste.
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