Septimus Heap 01 - Magyk
hinauf und beobachten, wie der Lehrling mit seinem Meister ringt, wie die beiden sich auf der kleinen Plattform mal hierhin, mal dorthin wälzen und wie der Meister das Amulett dem Griff des Lehrlings zu entwinden sucht.
DomDaniel starrt Alther Mella hasserfüllt an, seine dunkelgrünen Augen funkeln vor Zorn. Althers hellgrüne Augen erwidern seinen Blick unerschrocken, und er spürt, wie das Amulett sich lockert. Er zieht mit aller Kraft, die Kette zerreißt in hundert Stücke, und er hält das Amulett in der Hand.
›Behalt es‹, zischt DomDaniel. »Aber ich werde zurückkommen und es mir holen. Ich werde mit dem Siebten des Siebten kommen.«
Die Menge schreit auf, als der Außergewöhnliche Zauberer von der Spitze der Pyramide springt und in die Tiefe stürzt. Sein Umhang breitet sich aus wie ein Paar herrliche Schwingen, vermag aber den Sturz nicht zu bremsen.
Und dann ist er verschwunden.
Auf der Spitze der Pyramide steht der Lehrling mit dem Echnaton-Amulett in der Hand und starrt entsetzt in die Tiefe ... sein Meister ist in die Unterwelt hinabgestiegen.
Die Menge drängt sich um die Stelle, wo DomDaniel aufgeschlagen ist. Der Boden ist versengt, jeder hat etwas anderes gesehen. Einer sagt, DomDaniel hätte sich in eine Fledermaus verwandelt und sei davongeflogen. Ein anderer will beobachtet haben, wie ein Rappe erschien und in den Wald galoppierte, und wieder andere behaupten, DomDaniel hätte sich in eine Schlange verwandelt und sei unter einen Stein gekrochen. Aber keiner hat gesehen, was wirklich geschehen ist. Keiner hat gesehen, was Alther gesehen hat.
Mit geschlossenen Augen, um nicht in den gähnenden Abgrund blicken zu müssen, klettert Alther Mella von der Pyramide. Er öffnete sie erst wieder, als er durch die schmale Luke in die Bibliothek kriecht, die in der goldenen Pyramide untergebracht ist. Und dort sieht er mit Schrecken, was geschehen ist. Die schlichte grüne Wollkleidung, die er als Zauberlehrling trägt, hat sich in dicke lila Seide verwandelt. Der einfache Ledergürtel an seiner Taille ist mit einem Mal auffallend schwer. Er ist jetzt aus Gold und hat Intarsien aus Platin, die Geheimzeichen und Zauberformeln darstellen. Sie verleihen dem Außergewöhnlichen Zauberer, der Alther zu seinem Erstaunen nun geworden ist, Schutz und Stärke.
Alther betrachtet das Amulett in seiner zitternden Hand. Es ist ein kleiner runder Stein aus ultramarinblauem, mit goldenen Streifen durchzogenem Lapislazuli, in den ein magisches Zeichen in Form eines Drachen eingeritzt ist. Der Stein liegt schwer in seiner Hand. Er ist in einen goldenen Ring eingefasst, der oben so zusammengekniffen ist, dass er eine Öse bildet. An dieser Öse hängt noch ein Glied der Silberkette, die zersprungen ist, als er das Amulett abgerissen hat.
Nach kurzem Überlegen bückt er sich und löst den Lederschnürsenkel von seinem Stiefel. Er befestigt das Amulett daran und hängt es sich um den Hals, wie es alle Außergewöhnlichen Zauberer vor ihm getan haben. Und dann macht er sich an den langen Abstieg durch den Turm, das lange braune Haar noch zerzaust vom Kampf, das Gesicht bleich und ängstlich, die grünen Augen groß vor ehrfürchtigem Staunen, um vor die wartende Menge zu treten.
Ein Aufschrei empfängt Alther, als er durch die große, massive Silbertür taumelt, die den Eingang zum Zaubererturm bewacht. Es fällt kein Wort, denn man streitet nicht mit einem neuen Außergewöhnlichen Zauberer. Unter vereinzeltem leisem Murren zerstreut sich die Menge, und nur eine einzige Stimme ruft laut:
›So wie du es errungen hast, so wirst du es verlieren.‹
Alther seufzt. Er weiß, es ist wahr.
Er kehrt allein in den Turm zurück, und während er darangeht, die Spuren von DomDaniels schwarzer Magie zu beseitigen, wird nicht weit im kleinen Zimmer einer armen Zaubererfamilie ein Kind geboren.
Es ist ihr siebter Sohn, und sein Name ist Silas Heap.«
Am Feuer folgte ein langes Schweigen, und Alther nahm langsam wieder seine eigene Gestalt an. Silas zitterte. So hatte er die Geschichte noch nie gehört.
»Es ist unglaublich, Alther«, flüsterte er mit heiserer Stimme, »ich hatte ja keine Ahnung. Wie ... woher wusste die Hexenmutter das alles?«
»Sie war unter den Zuschauern«, antwortete Alther. »Sie hat mich noch am selben Tag aufgesucht und mich dazu beglückwünscht, dass ich Außergewöhnlicher Zauberer geworden war, und ich habe ihr die Geschichte erzählt, so wie ich sie erlebt habe. Wenn du willst, dass die
Weitere Kostenlose Bücher