Septimus Heap 01 - Magyk
nachdenklich ins Feuer. »Wie es scheint, Prinzessin, hast du diesen grässlichen alten Schwarzkünstler daran gehindert, ins Schloss zurückzukehren. Durch deine bloße Anwesenheit. Wie höchstwahrscheinlich auch deine Mutter. Ich habe mich immer gefragt, warum er die Meuchelmörderin zur Königin geschickt hat und nicht zu mir.«
Jenna erschauderte. Sie bekam große Angst. Silas legte den Arm um sie. »Das reicht, Alther. Du brauchst uns nicht zu Tode zu erschrecken. Ehrlich gesagt glaube ich, du bist nur eingeschlafen und hast einen Albtraum gehabt. Du weißt, dass du hin und weder einen hast. Die Wächter sind nichts weiter als eine Verbrecherbande, die jeder anständige Außergewöhnliche Zauberer schon vor Jahren verjagt hätte.«
»Ich habe es nicht nötig, mich von dir beleidigen zu lassen«, rief Marcia entrüstet. »Du hast ja keine Ahnung, was wir alles versucht haben, um uns ihrer zu entledigen. Nicht die leiseste Ahnung. Und von dir haben wir keine Hilfe bekommen, Silas Heap.«
»Ich weiß gar nicht, was die ganze Aufregung soll«, entgegnete Silas. »DomDaniel ist tot.«
»Nein, ist er nicht«, widersprach Marcia, wieder ruhiger.
»Sei nicht albern«, fuhr Silas sie an. »Alther hat ihn vor vierzig Jahren von der Spitze des Turms gestoßen.«
Jenna und Nicko stockte der Atem. »Ist das wahr, Onkel Alther?«, fragte Jenna.
»Nein!«, rief Alther erbost. »Es ist nicht wahr. Er ist von selbst gesprungen.«
»Wie auch immer«, sagte Silas stur, »jedenfalls ist er tot.«
»Nicht unbedingt ...«, widersprach Alther leise und blickte ins Feuer. Der Feuerschein warf tanzende Schatten auf alle Anwesenden außer Alther, der gedankenversunken durch die Flammen schwebte und dabei versuchte, den Knoten zu lösen, den er vorhin in seine Angelschnur gemacht hatte. Das Feuer loderte kurz auf und erhellte die Menschen, die es umringten. Da ergriff Jenna das Wort.
»Was ist oben auf dem Turm mit DomDaniel geschehen, Onkel Alther?«, fragte sie.
»Das ist eine ziemlich schaurige Geschichte, Prinzessin. Ich möchte dir keine Angst machen.«
»Oh, bitte, erzähl sie uns«, bettelte Nicko. »Jen liebt Schauergeschichten.«
Jenna nickte etwas zaghaft.
»Nun«, sagte Alther, »es fällt mir schwer, sie in meinen eigenen Worten wiederzugeben, aber ich erzähle euch die Geschichte so, wie ich sie einmal an einem Lagerfeuer tief in den Wäldern gehört habe. Es war eine Nacht wie heute, Mitternacht. Der Vollmond stand hoch am Himmel, und eine alte und weise Wendron-Hexenmutter erzählte sie ihren Hexen.«
Im nächsten Augenblick verwandelte sich Alther Mella in eine wohlbeleibte und freundlich aussehende Frau in einem grünen Kleid. Im trägen schnarrenden Tonfall der Waldbewohner fuhr er fort:
»Die Geschichte beginnt auf der Spitze einer goldenen Pyramide, die einen hohen silbernen Turm bekrönt. Der Zaubererturm schimmert in der Morgensonne und ist so hoch, dass die vielen Menschen, die sich zu seinen Füßen versammelt haben, dem jungen Mann, der die abgestufte Seite der Pyramide erklimmt, wie Ameisen vorkommen. Der junge Mann hat schon einmal in die Tiefe zu den Ameisen geblickt, und die Höhe hat ihn schwindlig gemacht. Jetzt heftet er seinen Blick auf die Gestalt vor ihm, einen älteren, aber noch sehr gelenkigen Mann, der, und das ist sein großer Vorteil, nicht unter Höhenangst leidet. Der lila Umhang des Älteren flattert im scharfen Wind, der wie immer den Turm umweht, und für die Menge am Boden sieht er aus wie eine lila Fledermaus, die hoch zur Spitze der Pyramide flattert.
Was, so fragen sich die Zuschauer, hat ihr Außergewöhnlicher Zauberer im Sinn? Und ist das nicht sein Lehrling, der ihm folgt? Oder verfolgt er ihn gar?
Dann ist der Lehrling, Alther Mella, dicht hinter seinem Meister, DomDaniel. DomDaniel hat die Spitze der Pyramide erreicht, eine kleine quadratische Plattform aus getriebenem Gold mit eingelegten Hieroglyphen aus Silber, die den Turm verzaubern. Er steht mit wehendem Umhang aufrecht da, und sein Gürtel aus Gold und Platin, der Gürtel des Außergewöhnlichen Zauberers, glitzert in der Sonne. Er winkt seinen Lehrling zu sich.
Alther Mella weiß, dass er keine Wahl hat. Mit einem beherzten Sprung stürzt er sich auf den Meister und reißt ihn zu Boden. Er greift nach dem Echnaton-Amulett aus Gold und Lapislazuli, das der Meister an einer Silberkette um den Hals trägt.
Die Zuschauer im Hof halten den Atem an. Bestürzt blinzeln sie zu dem blendenden Gold der Pyramide
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