Septimus Heap 01 - Magyk
mit einem Feuerblitz zu Boden und ging hinein. Wenig später wurde der Oberste Wächter zum zweiten Mal in dieser Nacht aus dem Bett geholt.
Im Turm war der Lehrling unterdessen zum Sofa gewankt und frierend in einen unruhigen Schlaf gesunken. Alther hielt das Kaminfeuer in Gang. Während der Junge schlief, nutzte er die Gelegenheit für ein paar kleinere Veränderungen. Er lockerte den schweren Baldachin über dem Bett, sodass er nur noch an einem Faden hing. Er zog die Dochte aus allen Kerzen. Er kippte schmutzig grüne Farbe in die Wasserbehälter und siedelte eine Großfamilie gefräßiger Schaben in der Küche an. Er quartierte eine jähzornige Ratte unter den Fußbodendielen ein und lockerte bei den bequemsten Sesseln alle Zapfverbindungen. Und dann tauschte er noch DomDaniels schwarzen Zylinder, der einsam auf dem Bett lag, gegen einen anderen aus, der ein klein wenig größer war.
Als der Morgen dämmerte, verließ Alther den schlafenden Lehrling und machte sich auf in den Wald. Er folgte dem Pfad, den er vor vielen Jahren einmal mit Silas benutzt hatte, als sie Sarah und Galen besuchten.
* 18 *
18. Die Hüterhütte
E s war die Stille, die Jenna am nächsten Morgen in der Hüterhütte weckte. Nachdem sie zehn Jahre lang jeden Tag durch den geschäftigen Lärm in den Anwanden aufgewacht war, vom Radau und Geschrei der sechs jungen Heaps gar nicht zu reden, war die Stille ohrenbetäubend. Sie öffnete die Augen, und einen Augenblick lang glaubte sie noch zu träumen. Wo war sie? Warum lag sie nicht zu Hause in ihrem Schrankbett? Warum waren nur Jo-Jo und Nicko hier? Wo waren ihre anderen Brüder?
Und dann kam die Erinnerung.
Sie setzte sich leise auf, um die Jungen nicht zu wecken, die neben ihr vor dem Kamin schliefen. Sie legte sich die Bettdecke um, denn obwohl das Feuer noch glomm, war die Luft in der Hütte feucht und kühl. Zögernd fasste sie sich an den Kopf.
Es stimmte also. Das Diadem war noch da. Sie war noch immer Prinzessin. Es war nicht nur wegen ihres Geburtstags gewesen.
Gestern war ihr den ganzen Tag alles so unwirklich vorgekommen, wie immer an ihrem Geburtstag. Als sei dieser Tag irgendwie Teil einer anderen Welt, einer anderen Zeit, und als ob alles, was an ihm geschah, nicht wirklich geschehe. Und dieses Gefühl hatte sie durch all die erstaunlichen Ereignisse an ihrem zehnten Geburtstag begleitet, das Gefühl, dass, ganz gleich was geschah, am nächsten Tag alles wieder normal sein würde, sodass es im Grunde überhaupt keine Rolle spielte.
Aber nichts war normal. Und es spielte sehr wohl eine Rolle.
Jenna verschränkte die Arme, um sich zu wärmen, und dachte nach. Sie war eine Prinzessin.
Sie und Bo, ihre beste Freundin, hatten sich oft vorgestellt, sie wären verschollene Prinzessinnenschwestern, die bei der Geburt getrennt und vom Schicksal in einer Schulbank der 6. Klasse an der Dritten Nordschule wieder zusammengeführt worden waren. Sie hatte es beinahe geglaubt – irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es stimmte. Wenn sie bei Bo zu Hause war, hatte sie jedoch nicht den Eindruck, dass Bo zu einer anderen Familie gehörte. Mit ihren rotblonden Haaren und ihren vielen Sommersprossen sah sie ihrer Mutter so ähnlich, dass sie einfach ihre Tochter sein musste. Einmal hatte sie Bo darauf angesprochen, doch die hatte so beleidigt reagiert, dass sie nie wieder davon angefangen hatte.
Allerdings hatte es Jenna nicht davon abgehalten, sich weiter zu fragen, warum sie ihrer Mutter so gar nicht ähnlich sah. Oder ihrem Vater. Oder ihren Brüdern. Wieso hatte sie als Einzige dunkles Haar? Wieso hatte sie keine grünen Augen? Wie sehr hatte sie sich immer grüne Augen gewünscht. Noch bis zum gestrigen Tag hatte sie darauf gehofft, dass sie sich irgendwann verfärben.
Sie hatte dem Tag entgegengefiebert, an dem Sarah zu ihr sagen würde: »Ich glaube, deine Augen verändern sich. Ich sehe heute deutlich eine Spur Grün.« Und später: »Du wirst schnell erwachsen. Deine Augen sind schon fast so grün wie die deines Vaters.«
Doch jedes Mal, wenn sie von Sarah wissen wollte, warum ihre Augen noch nicht so grün waren wie die ihrer Brüder, sagte sie immer nur: »Aber du bist doch unser kleines Mädchen , Jenna. Du bist etwas Besonderes. Du hast wunderschöne Augen.«
Aber davon ließ sie sich nicht täuschen. Sie wusste, dass auch Mädchen grüne Zaubereraugen bekommen konnten. Sie brauchte sich nur Miranda Bott anzusehen, die am Ende des Korridors wohnte und deren
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