Septimus Heap 01 - Magyk
Botenratte ist, mit einer Nachricht von Dad«, sagte Jenna.
»Ausgeschlossen!«, rief Tante Zelda. »Die Botenratte war fett.«
Die Ratte in Jennas Händen protestierte mit einem leisen Quieken.
»Und die hier«, fuhr Tante Zelda fort und bohrte der Ratte den Finger in die Rippen, »ist spindeldürr. Aber vermutlich war es richtig, dass ihr sie hereingebracht habt, ganz gleich, was für eine Ratte es ist.«
Und so kam es, dass Stanley fast sechs Wochen, nachdem ihn die Rattenzentrale losgeschickt hatte, doch noch ans Ziel gelangte. Wie alle guten Botenratten war er dem Werbeslogan der Rattenzentrale gerecht geworden: Nichts hält eine Botenratte auf.
Doch für die Übermittlung der Botschaft war Stanley zu schwach. Er lag völlig entkräftet auf einem Kissen vor dem Kamin und ließ sich von Jenna mit püriertem Aal füttern. Er hatte für Aal nie etwas übrig gehabt, schon gar nicht in pürierter Form, aber nach sechs Wochen Gefangenschaft, in denen er nur Wasser getrunken und keinen Bissen zu sich genommen hatte, schmeckte selbst pürierter Aal herrlich. Und auf einem Kissen am warmen Kamin zu liegen, statt auf dem Boden eines schmutzigen Käfigs zu bibbern, war noch herrlicher. Obwohl Berta verstohlene Blicke auf ihn warf, wenn gerade niemand hersah.
Marcia gab ihm den Befehl »Sprich, Rattus Rattus«, nachdem Jenna darauf bestanden hatte, doch Stanley gab keinen Ton von sich und lag nur schlapp auf dem Kissen.
»Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass es die Botenratte ist«, sagte Marcia ein paar Tage später, als Stanley noch immer nicht gesprochen hatte. »Die Botenratte hat ununterbrochen geplappert, wenn ich mich recht erinnere. Und dabei fast nur dummes Zeug von sich gegeben.«
Stanley sah sie so finster an, wie er nur konnte, aber sie nahm davon keine Notiz.
»Sie ist es, Marcia«, versicherte ihr Jenna. »Ich hatte schon viele Ratten und kann sie gut auseinander halten. Die hier ist eindeutig die Botenratte vom letzten Mal.«
Und so fieberten alle dem Tag entgegen, an dem Stanley wieder so weit bei Kräften war, dass er die lang ersehnte Nachricht übermitteln konnte. Es war eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen. Die Ratte bekam Fieber und lag im Delirium, murmelte stundenlang unverständliches Zeug und trieb Marcia fast zum Wahnsinn. Tante Zelda brühte Unmengen von Weidenrindentee auf, und Jenna träufelte ihn der Ratte mithilfe eines kleinen Tropfenzählers geduldig in den Mund. Nach einer langen und nervenaufreibenden Woche klang das Fieber schließlich ab.
Am späten Nachmittag, als Tante Zelda sich im Tränkeschrank eingeschlossen hatte (seit Junge 412 hineingespäht hatte, schloss sie immer ab) und Marcia an Tante Zeldas Schreibtisch an irgendwelchen mathematischen Zaubern tüftelte, ließ Stanley ein Hüsteln vernehmen und setzte sich auf. Maxie bellte und Berta fauchte vor Überraschung, doch die Botenratte beachtete sie nicht.
Sie hatte eine Botschaft zu überbringen.
* 30 *
30. Botschaft an Marcia
B a ld hatte Stanley ein erwartungsvolles Publikum um sich geschart. Er humpelte steif vom Kissen, richtete sich auf und holte tief Luft. Dann rief er mit zittriger Stimme: »Zunächst muss ich fragen: Ist hier eine gewisse Marcia Overstrand?«
»Das wissen Sie doch«, erwiderte Marcia ungeduldig.
»Ich muss trotzdem fragen, Euer Gnaden, so will es die Vorschrift«, sagte Stanley und fuhr fort: »Ich bin hier, um Marcia Overstrand, der Außergewöhnlichen Zauberin ... äh ... der ehemaligen Außergewöhnlichen Zauberin, eine Botschaft zu ...«
» Was ?«, brach es aus Marcia heraus. » Der ehemaligen ? Was meint die blöde Ratte damit?«
»Beruhige dich, Marcia«, sagte Tante Zelda. »Warte doch ab, was sie zu sagen hat.«
Stanley fuhr fort. »Die Nachricht ist um sieben Uhr früh am ...« Er hielt inne und rechnete nach, wie viele Tage inzwischen vergangen waren. Als pflichtbewusste Botenratte hatte Stanley während seiner Gefangenschaft Buch geführt und für jeden Tag eine Kerbe in einen Gitterstab seines Käfigs geritzt. Er wusste, dass er neununddreißig Tage bei Mad Jack geschmachtet hatte, aber er hatte keine Ahnung, wie lange er hier vor dem Kamin im Delirium gelegen hatte. »... äh ... vor geraumer Zeit von einem Bevollmächtigten abgeschickt worden. Der Adressat ist ein gewisser Silas Heap, wohnhaft in ...«
»Was heißt denn, von einem Bevollmächtigten?«, fragte Nicko. Stanley wippte ungeduldig mit dem Fuß. Er hatte es nicht gern, wenn er unterbrochen wurde,
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