Septimus Heap 02 - Flyte
nicht«, murmelte Nicko.
Doch während er sprach, gerieten die beiden über ihnen schwebenden Äste wieder in Bewegung und senkten sich langsam auf sie herunter. Nicko zupfte Septimus am Ärmel. »Los«, flüsterte er eindringlich. »Jetzt oder nie. Wir müssen hier weg. Ich glaube, wir können es schaffen. Der Baum ist langsam. Er hat uns nur erwischt, weil wir durch die Wolverinen abgelenkt waren und deshalb nicht bemerkt haben, dass er es auf uns abgesehen hatte. Wenn wir schnell nach unten klettern, kriegt er uns nicht.«
»Aber dann kriegen uns die Wolverinen«, flüsterte Septimus, der davon überzeugt war, dass der Baum hören konnte, was sie sprachen.
»Wer weiß, vielleicht geben sie ja auf. Komm, es ist unsere einzige Chance.« Nicko kroch auf dem Ast entlang.
Das Letzte, was Septimus jetzt wollte, war sich bewegen, egal wohin, schließlich befand er sich gut hundert Meter über dem Boden. Doch er hatte keine andere Wahl, und so schloss er halb die Augen, damit er nicht versehentlich einen Blick von der gähnenden Tiefe erhaschte, und rutschte im Schneckentempo hinter Nicko her. Nicko hatte bereits die Astgabel erreicht, von der aus er nach unten klettern wollte. Er drehte sich um und streckte Septimus die Hand entgegen.
»Beeilung, Sep. Du bist ja noch langsamer als der Baum. Komm, es ist ganz leicht.«
Septimus antwortete nicht. Übelkeit überkam ihn, und vor Angst hatte er schweißnasse Hände.
»Nicht nach unten sehen«, warnte Nicko. »Sieh nur mich an. Weiter so, du hast es gleich geschafft.«
Septimus schaute zu Nicko, und plötzlich wurde ihm schwindlig. Ein seltsames, fernes Sirren erfüllte seine Ohren, und seine schwitzigen Hände rutschten von dem glatten Ast.
Er fiel.
Er fiel so schnell, dass Nicko es nicht verhindern konnte. Eben noch hatte Nicko beobachtet, wie sein Bruder auf ihn zu kroch, und im nächsten Moment blickte er ins Leere. Er hörte, wie Septimus weit unter ihm krachend durch den Baum stürzte und gleich darauf eine Wolverine aufheulte. Und dann Stille.
Nicko vernahm nichts mehr, nur das Rauschen von Blättern und Zweigen und die Stille des Waldes. Er saß wie betäubt auf dem Ast, zu keiner Bewegung fähig. Doch er musste nach unten klettern. Er musste versuchen, zu Septimus zu gelangen, auch wenn er sich vor dem, was ihn erwartete, fürchtete. Und so machte er sich langsam und widerwillig an den langen Abstieg, doch als er durch den Baum nach unten kletterte, schlang sich plötzlich ein langer dünner Ast um seine Taille und hielt ihn fest. Er wehrte sich, versuchte, sich loszureißen, doch der Ast saß fest wie eine Eisenfessel. Ärgerlich trat er gegen den Stamm.
»Lass mich los!«, schrie er. »Ich muss zu meinem Bruder!« Wutentbrannt zerfetzte er die Blätter um sich herum und brach jeden Zweig ab, den er zu fassen bekam.
»Au«, klagte eine tiefe, behäbige Stimme, aber Nicko hörte sie nicht.
»Ich hasse dich, du blöder Baum«, tobte er und schlug wild auf ihn ein. »Du wirst mich nicht fressen. Und Sep auch nicht. Versuch es bloß nicht!« Er steigerte sich in eine Raserei hinein, trat nach dem Baum, schrie ihn an und beschimpfte ihn, wobei er alle Kraftausdrücke aus seinem Gedächtnis kramte, die er in letzter Zeit im Hafen und bei Rupert Gringe aufgeschnappt hatte. Er war selbst überrascht, wie viele er kannte. Und auch der Baum war überrascht. So etwas hatte er noch nie gehört.
Der Baum ertrug Nickos Wutausbruch mit Geduld. Er hielt ihn einfach fest, während er weiter unten das zu Ende brachte, was er seit Septimus’ Absturz tat. Nicko stieß immer noch Verwünschungen aus, als die Äste sich teilten und Septimus wieder an seiner Seite erschien, fest eingewickelt in einen Kokon aus Blättern und Zweigen. Nicko verstummte. Wurde kreidebleich. Dasselbe, so dachte er, machten Spinnen mit ihrer Beute. Erst vor einer Woche hatte er auf dem Boot gesessen und eine Spinne dabei beobachtet, wie sie eine strampelnde Fliege in einen Seidenkokon einspann und dann bei lebendigem Leib aussaugte.
»Sep!«, stieß er hervor. »Bist du in Ordnung?« Septimus antwortete nicht. Er hatte die Augen geschlossen und war leichenblass. Ein schrecklicher Gedanke kam Nicko. »Sep«, flüsterte er, »hat er schon angefangen, dich zu fressen?« Er wollte zu Septimus hinüberrutschen, doch der Ast hinderte ihn daran.
»Nicko«, sagte eine leise Stimme.
»Sep?«, fragte Nicko, verwundert darüber, dass sein Bruder so merkwürdig klang.
»Nicko, bitte hör auf, dich zu
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