Septimus Heap 02 - Flyte
voller zackiger Felsen und tückischer Strudel toste. Jenna fragte sich, ob Simon überhaupt jemals Rast machen würde. Anscheinend scherte er sich nicht darum, wie es ihr oder seinem Pferd ging. Donners Kräfte erlahmten zusehends. Ein- oder zweimal war er auf dem losen Geröll, das die Flanken der grauen Schieferberge bedeckte, ins Straucheln geraten und hätte sie fast in die Tiefe gerissen.
»Brr, Donner«, befahl Simon unvermittelt. »Brr, mein Junge.« Donner blieb stehen, schüttelte den Kopf und schnaubte müde. Jenna schaute sich um. Nun, da sie angehalten hatten, wurde sie plötzlich nervös.
Simon sprang aus dem Sattel, nahm die Zügel und sagte zu ihr: »Du kannst absteigen. Wir sind da.«
Mit einem flauen Gefühl im Magen glitt sie vom Pferd und blieb stehen, unschlüssig, ob sie davonlaufen sollte oder nicht. Das Dumme war, dass sie nicht wusste, wohin. Simon las ihre Gedanken.
»Komm bloß nicht auf die dumme Idee, wegzulaufen«, fuhr er sie an. »Hier kannst du nirgends hin. Oder willst du in einer Landwurmhöhle landen?«
»Versuch nicht, mir Angst zu machen«, erwiderte Jenna. »Du weißt genauso gut wie ich, dass sie nur nachts herauskommen.«
»Ach, tatsächlich? Aber natürlich, ich vergaß, dass unsere neunmalkluge Prinzessin alles weiß, habe ich Recht? Nun, ich kann dich heute Nacht gerne hier draußen lassen, wenn du willst. Da oben findest du eine hübsche Auswahl an Landwurmhöhlen, falls du sie dir ansehen willst.«
Jenna verspürte kein Verlangen, Simons Herausforderung anzunehmen. Sie hatte zu viele Geschichten über die riesigen grauen Landwürmer gehört, die in den Schieferbergen lebten und nachts Reisenden auflauerten. Nach Meinung einiger Leute in der Burg waren das nur Schauermärchen alter Bergarbeiter, die verbreitet wurden, um Fremde von den Schiefergruben fern zu halten, in denen gelegentlich Gold gefunden wurde, aber Jenna wusste es besser. Und so stand sie in Lucys Mantel neben Donner und blickte starr zu Boden, entschlossen, Simon nicht die Genugtuung zu geben, ihr erschrockenes Gesicht zu sehen.
Simon nahm Donner am Zaumzeug.
»Komm mit«, befahl er Jenna und führte das Pferd einen steilen Pfad hinauf. Jenna gehorchte, sah sich aber immer wieder um, um festzustellen, ob ihr ein Landwurm folgte. Sie hatte nicht das Gefühl, dass Simon ihr zu Hilfe eilen würde.
Der Pfad endete unerwartet an einer steilen Felswand.
»Trautes Heim, Glück allein«, sagte Simon und verzog das Gesicht. Jenna sah ihn verdutzt an und fragte sich, ob er möglicherweise den Verstand verloren hatte. Das hätte einiges erklärt.
»Öffnen zu dir befiehlt, Meister dein, Nomis«, murmelte Simon. Jenna lauschte seinen Worten aufmerksam und erschauderte. Wie sie mit Schrecken erkannte, handelte es sich um einen Umkehrzauberspruch. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück, denn sie wollte der Schwarzen Magie nicht zu nahe kommen.
Lautlos verwandelte sich ein Teil der Felswand in einen mächtigen runden Eisenspund, der nach außen aufschwang und sich für den Meister öffnete. Jenna schaute sich um. Eine Sekunde lang spielte sie mit dem Gedanken, sich umzudrehen und loszurennen, doch der Anblick des einsamen dunklen Tales war so wenig einladend wie das Heulen des Windes über den Bergspitzen. Sie hob den Blick, und was sie dann sah, ließ ihr Herz bis zum Hals schlagen – in einem dunklen, kreisrunden Loch auf halber Höhe einer nahen Felsnase glaubte sie das hellrote Augenpaar eines Landwurms zu erkennen, der zu ihr heruntersah.
»Was ist, kommst du nun oder nicht?«, fragte Simon und klirrte ungeduldig mit Donners Zaumzeug.
Sie musste sich zwischen dem Landwurm und Simon entscheiden – und Simon gewann, aber nur knapp. Sie holte tief Luft und folgte ihm und Donner in die Felswand.
* 17 *
17. Die Höhle
D i e Eisentür fiel krachend hinter ihnen zu, und tiefe Dunkelheit umfing sie. Jenna versuchte, Ruhe zu bewahren, und rief sich ins Gedächtnis, was Silas immer zu ihr gesagt hatte, wenn sie sich im Dunkeln fürchtete: Denk daran, wenn du nichts sehen kannst, sieht auch kein Wesen dich.
Während sie diese Worte leise vor sich hin sprach, zog Simon etwas aus der Tasche und legte beide Hände darum. Dann blies er darüber, murmelte ein paar Worte, die Jenna nicht verstand, und seine Hände erstrahlten in einem gespenstischen grünen Licht.
»Nach Hause, Spürnase«, sagte Simon und warf den Gegenstand auf den Boden. Ein glühender grüner Ball hüpfte vor ihnen her und
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