Septimus Heap 02 - Flyte
Klampff wollte.
Tief im Herzen des Waldes saßen Septimus und Nicko schweigend nebeneinander. Septimus spürte, wie die Sonne hinter den Bergen versank. Die Luft kühlte ab, und der Wechsel von Tag und Nacht begann. Der Wald verwandelte sich in ein Nachtwesen, wenn es dunkel wurde, und mit banger Vorahnung erkannte Septimus das seltsam beklemmende Gefühl wieder, das sich stets mit der Waldnacht einstellte.
»Tut mir wirklich leid, Sep«, murmelte Nicko untröstlich.
»Pst!«, zischte Septimus. »Nur sprechen, wenn es unbedingt nötig ist.«
Nicko saß still da und versuchte, Ruhe zu bewahren. Selbst am Tag mochte er den Wald nicht besonders. Im Wald hatte er immer das unangenehme Gefühl, nicht schnell genug fliehen zu können und im endlosen Gewirr von Stämmen und Ästen in der Falle zu sitzen. Solange er sich noch bewegen und sehen konnte, wo er den Fuß hinsetzte, war es noch einigermaßen erträglich. Aber jetzt nicht mehr. Eine dicke schwarze Decke breitete sich über sie, und er fühlte Panik in sich aufsteigen. Am liebsten hätte er laut geschrien. In seinem ganzen Leben hatte er sich bisher nur ein einziges Mal so gefühlt, nämlich als er in der Müllschluckerrutsche feststeckte, aber damals war Marcia bei ihm gewesen und hatte ihn im Handumdrehen befreit. Diesmal war er auf sich allein gestellt.
»Was haben sie euch auf den Nachtübungen eigentlich so beigebracht?«, flüsterte Nicko. »Was musstet ihr tun?«
»Nun ja, äh, einmal, bei einer Tierkampfübung ohne Waffen mussten wir eine Wolverinengrube ausheben und dann die ganze Nacht warten, ob eine Wolverine hineinfiel. Es fiel keine hinein, jedenfalls nicht in unsere Grube. Aber in einer Grube ganz in der Nähe verloren wir drei Jungs. Sie kämpften tapfer, aber die Wolverine blieb Siegerin. Es war ein schrecklicher Lärm. Und manchmal, bei Orientierungsübungen mit dem Kompass, banden sie einen Jungen an einen Baum, und wir mussten ihn finden, bevor er gefressen wurde. Wir schafften es nicht immer rechtzeitig...«
»Aha«, sagte Nicko erschaudernd. »Ich hätte nicht fragen sollen. Ich dachte, sie hätten euch vielleicht ein paar Überlebensregeln beigebracht.«
»Haben sie auch«, erwiderte Septimus. »Geh allem aus dem Weg, was schneller laufen kann als du und mehr Zähne hat. Hüte dich vor fleischfressenden Bäumen, denn ob du es mit welchen zu tun hast, merkst du erst, wenn es zu spät ist. Ach ja, und die wichtigste von allen ...«
»Ja?«
»Halte dich nach Einbruch der Dunkelheit nie draußen im Wald auf!«
»Sehr witzig«, knurrte Nicko.
»Ich finde«, flüsterte Septimus, »wir sollten uns einen sicheren Platz zum Übernachten suchen. Am besten oben auf einem Baum ...«
»Auf einem fleischfressenden Baum, oder was?«
»Nicko, nicht so laut!«
»Entschuldige, Sep.«
»Wie gesagt, wir sollten auf einen Baum klettern, und es ist reine Glückssache, ob wir einen fleischfressenden erwischen oder nicht.«
»Wie? Du kannst sie gar nicht unterscheiden?«
»Nicht bei Nacht. Wir müssen es darauf ankommen lassen. So ist das nun mal im Nachtwald, Nicko. Aber wie gesagt, wenn es uns gelingt, auf einen Baum zu klettern, dürften wir vor den Wolverinen sicher sein. Natürlich müssen wir dann vor blutsaugenden Baumratten auf der Hut sein.«
»Na toll.«
»Und ältere Bäume sind manchmal von Laubegeln befallen. Ich habe mal mit dem Zugführer auf einem Baum übernachtet, und als ich am Morgen aufwachte, dachte ich, er hätte sich getarnt. Er war von Kopf bis Fuß mit Laubegeln bedeckt.« Septimus kicherte. »Geschah ihm ganz recht.«
»Hör auf!«, zischte Nicko. »Hör bloß auf. Ich will nichts mehr hören, klar? Suchen wir uns einen Baum, und dann hilft nur Daumendrücken.«
Septimus schulterte den schweren Rucksack und stapfte los. Diesmal ging er voraus und Nicko hinterher. Sein Drachenring leuchtete im Dunkeln so hell, dass er die Hand vorsichtshalber in die Tasche steckte. Er wusste, dass ein Lichtschein jede Kreatur im Umkreis von Kilometern anlocken würde, ganz besonders die Waldgespenster. Septimus strich lautlos zwischen den Bäumen umher, und Nicko folgte ihm so vorsichtig und leise wie möglich. Aber Nicko war nicht so geschickt wie sein Bruder, und sosehr er sich auch bemühte, immer wieder knackte ein Zweig oder Laub raschelte unter seinen Füßen. Septimus wusste, dass früher oder später ein Tier oder ein Gespenst sie hören würde. Sie mussten sich so schnell wie möglich in Sicherheit bringen. Verzweifelt suchte
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