Septimus Heap 02 - Flyte
wehren. Du könntest abstürzen. Es geht tief hinab, und die Wolverinen warten noch immer auf euch. Bitte halt still.«
Nicko starrte Septimus an und fragte sich, wie er sprechen konnte, ohne die Lippen zu bewegen.
»Sep, hör auf mit dem Quatsch, ja?«
»Nicko, hör mir zu, hier spricht nicht Septimus. Septimus hat sich den Kopf gestoßen. Er braucht Ruhe.«
Ein Schauder ergriff Nicko, und zum ersten Mal, seit er im Wald war, bekam er es richtig mit der Angst zu tun. Bei den Wolverinen hatte er gewusst, woran er war, und auch bei dem fleischfressenden Baum hatte er gewusst, woran er war. Sie wollten ihn fressen. Das war zwar nicht freundlich von ihnen, aber er konnte es wenigstens verstehen. Aber diese leise gespenstische Stimme war etwas ganz anderes. Er hatte keine Ahnung, womit er es zu tun hatte. Sie schien überall um ihn herum zu sein, und am unheimlichsten von allem war, dass sie seinen Namen kannte.
»Wer bist du?«, flüsterte Nicko.
»Weißt du das denn nicht? Ich dachte, ihr wärt eigens gekommen, um mich zu besuchen.« Die Stimme klang enttäuscht. »Ich sehe niemanden mehr. Nie kommt mich jemand besuchen. Ich dachte, mein Sohn würde sich wenigstens die Mühe machen, aber nein. War ihm wohl zu lästig, wie üblich. Als ich dann aber meine beiden jüngsten Enkel sah, da dachte ich natürlich ...«
»Enkel?«, fragte Nicko verdutzt.
»Ja, dich und Septimus«, fuhr die Stimme fort. »Ich hätte euch überall erkannt, ihr seht genauso aus wie Silas, als er noch ein Junge war.«
Ein tiefes Gefühl der Erleichterung durchflutete Nicko. Er konnte ihr Glück kaum fassen.
»Du bist doch nicht ... du bist doch nicht etwa Großvater Benny?«, fragte er den Baum.
»Natürlich. Was hast du denn gedacht, wer ich bin?«, fragte die Stimme.
»Ein fleischfressender Baum«, antwortete Nicko.
»Ich? Ein fleischfressender Baum? Sehe ich vielleicht wie ein fleischfressender Baum aus?«
»Ich weiß nicht. Ich habe noch nie einen gesehen.«
»Nun, dann lass dir sagen, dass sie überhaupt nicht so aussehen wie ich. Verlotterte Brüder sind das, die nicht den geringsten Wert auf ihr Äußeres legen. Stinken nach fauligem Fleisch, haben hässliche schwarze Blätter und sind von Pilzen befallen. Die bringen den ganzen Wald in Verruf.«
»Oh ... oh, fantastisch! Ich fasse es nicht. Großvater Benny ...«
Nicko sank erleichtert zurück, und sein Großvater zog den Ast weg, der ihn festgehalten hatte.
»Dass du mir jetzt aber nicht nach unten kletterst«, ermahnte ihn der Baum. »Die Wolverinen werden noch eine ganze Weile bleiben. Warte eine Sekunde, dann mache ich dir ein Bett. Rühr dich nicht von der Stelle.«
»Nein, Großvater«, erwiderte Nicko ziemlich schlapp. Er fühlte sich wie Wackelpudding. Zum ersten Mal, seit er den Wald betreten hatte, fiel die Anspannung von ihm ab.
Der Baum flocht aus Ästen und Zweigen eifrig eine Plattform und polsterte sie mit einer Laubschicht aus.
»So«, sagte er stolz, als er fertig war, »wie du siehst, macht es überhaupt keine Umstände, ein Bett herzurichten. Ihr Jungs könnt also jederzeit kommen und hier übernachten. Das gilt auch für euren Vater. Und eure liebe Mutter. Jederzeit.«
Der Baum hob Septimus behutsam auf die Plattform und legte ihn hin. Er war noch in den Kokon gewickelt, so dass er nicht hinunterfallen konnte.
»Ich habe ihn gerade noch rechtzeitig aufgefangen«, sagte der Baum zu Nicko. »Eine Sekunde später, und die Wolverinen hätten ihn gehabt. Eine ist sogar schon hochgesprungen und hat nach ihm geschnappt. Das war knapp.«
Nicko kroch auf die Plattform neben Septimus und begann, den Kokon aufzuwickeln. Dabei bemerkte er eine große Beule am Kopf seines Bruders. Offensichtlich hatte er sich im Fallen an einem Ast gestoßen.
»Au ...«, stöhnte Septimus. »Lass mich, Nicko.«
Nicko war überglücklich, die Stimme seines Bruders zu hören. »He, Sep, dir ist nichts passiert! Was für ein Glück!«
Benommen setzte sich Septimus auf und sah Nicko an. Die Beule über seinem Auge schmerzte, aber das kümmerte ihn nicht. Er wusste, dass sie in Sicherheit waren. Beim Sturz in die Tiefe hatte er sich den Kopf angeschlagen und die Besinnung verloren, doch als er sanft durch das Blätterwerk wieder in die Höhe gehoben wurde, hatte ihn die tiefe Stimme des Baumes wieder aufgeweckt, und dann hatte er das Gespräch zwischen seinem Großvater und Nicko gehört. Zuerst hatte er alles für einen Traum gehalten, doch als er die Augen öffnete und die
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