Septimus Heap 02 - Flyte
öffnete. Jenna hielt den Atem an und wich in den Schatten zurück. In der Tür stand die Gestalt, die zu erblicken sie befürchtet hatte – der Fremde vom Hafen.
»Was ist denn, Jenna?«, flüsterte Nicko.
»Der ... der Mann an der Tür. Er ist mir vom Hafen hierher gefolgt. Er verfolgt mich ...«
»Wer ist er?«
»Ich ... ich weiß es nicht. Aber ich glaube, er hat etwas mit Simon zu tun.«
»Also mir ist es gleich, mit wem er zu tun hat, junge Dame«, raunzte Schwester Meredith. »Hier übernachten wird er jedenfalls nicht.«
Von unten ertönte Maureens schrille Stimme. »Es tut mir leid, Sir. Alle Zimmer sind belegt.«
Die Stimme des Fremden klang atemlos und leicht erregt. »Ich suche kein Zimmer, Miss. Ich möchte nur eine Auskunft. Wie ich höre, soll hier eine junge Dame mit einem Pferd abgestiegen sein ...«
»Sag ihm, dass er die Fliege machen soll, Maureen!«, brüllte Meredith nach unten.
»Äh, Verzeihung, Sir, aber Sie sollen ... äh ... die Fliege machen, bitte!», sagte Maureen in entschuldigendem Ton und schloss energisch die Tür.
Zu Jennas Entsetzen klopfte der Fremde abermals, doch jetzt platzte Schwester Meredith der Kragen.
»Los, Maureen«, schrie sie außer sich, »schütte ihm einen Kübel schmutziges Spülwasser über den Kopf!« Maureen machte sich an die Ausführung des Befehls, und Schwester Meredith wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den neuen Gästen zu.
»Bitte mir zu folgen«, sagte sie und kletterte durch ein großes Fenster nach draußen.
Jenna, Nicko und Septimus sahen einander an. Ihr durchs Fenster folgen? Wozu?
Schwester Merediths Kopf erschien im Fenster. »Himmel noch mal«, schimpfte sie, »ich habe nicht die ganze Nacht Zeit. Kommt ihr jetzt oder nicht? Wenn nicht, hol ich den Gentleman, der eben an der Tür war, und gebe ihm das Zimmer. Undankbares Volk.«
Jenna kletterte geschwind aus dem Fenster. »Nein, nein, tun Sie das nicht. Wir kommen.«
Das Nebengebäude war über eine schmale Holzbrücke zu erreichen, die sich über die Lücke zwischen den beiden Häusern spannte. Septimus schaffte es nur, hinüberzukommen, weil er von Wolfsjunge gestützt wurde und jeden Blick in die schwindelerregende Tiefe vermied. Am Ende der Brücke öffnete Schwester Meredith ein zweites Fenster.
»Da wären wir. Schlüpft an mir vorbei und klettert alleine hinein. Ich kann nicht die ganze Nacht durch Fenster steigen.«
Die Vorstellung, sich auf einer schmalen Brücke, die noch dazu bei jedem Schritt wackelte, an Schwester Meredith vorbeizuzwängen, fand Septimus noch furchterregender, als von Wolverinen umzingelt zu werden. Aber Jenna zog und Nicko schob, bis er mit weichen Knien durch das offene Fenster fiel, zu Boden sank und zitternd an die fleckige Decke blickte. Das war’s, dachte er. Er würde für immer in diesem Zimmer bleiben müssen. Er konnte unmöglich noch einmal über diese Brücke gehen!
Sobald alle drin waren, steckte Schwester Meredith den Kopf herein.
»Die Hausordnung hängt an der Tür. Beim kleinsten Verstoß fliegt ihr raus, ist das klar?«
Sie nickten.
In geschäftsmäßigem Ton fuhr Schwester Meredith fort: »Frühstück wird nur zwischen sieben Uhr und sieben Uhr zehn serviert. Warmes Wasser gibt es nur nachmittags zwischen vier und halb fünf. Feuermachen, Singen und Tanzen sind verboten. Gäste im Nebengebäude werden daran erinnert, dass sie zwar Gäste des Puppenhauses bleiben, sich aber auf dem Grund und Boden des Porter Hexenzirkels befinden. Sie tun dies auf eigene Gefahr. Die Direktion des Puppenhauses übernimmt keine Haftung für etwaige Schäden, die ihnen daraus erwachsen. Ach ja, wollt ihr die Ratte zum Abendessen? Ich glaube zwar nicht, dass sie mehr hergibt als eine Suppe, aber Maureen könnte euch schnell eine zubereiten, wenn ihr mögt. Wir sind ganz verrückt nach Rattensuppe, Maureen und ich. Wenn ihr wollt, nehme ich sie gleich mit runter.«
»Nein!«, stieß Jenna hervor und hielt Stanley fest. »Ich meine, danke ... das ist sehr freundlich von Ihnen, aber wir haben keinen Hunger.«
»Schade. Na, dann vielleicht zum Frühstück. Gute Nacht.«
Schwester Meredith knallte das Fenster zu und wackelte über die Brücke zurück ins Puppenhaus.
* 26 *
26. Spürnase
E s war noch sehr früh am nächsten Morgen, und der Himmel im Osten über der Seilerbahn färbte sich rosa, als ein kleiner, leuchtender Ball lautlos die Straße herunterrollte und vor dem Haus des Porter Hexenzirkels zum Stehen kam.
Spürnase verharrte
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