Septimus Heap 02 - Flyte
Formeln, die darauf gekritzelt waren. »Natürlich habe ich überall nach ihm gesucht, aber das Problem bei diesen alten Charms ist, dass sie aus dem Dunklen Zeitalter der Zauberei stammen und darum häufig nur auf Schwarze Magie ansprechen. Und die beherrsche ich nicht, Septimus. Und ich will sie auch nicht beherrschen.«
Der Lappen auf Wolfsjunges Stirn war heiß geworden. In Gedanken noch bei dem Flug-Charm, stand Septimus auf und trug den Lappen in Tante Zeldas kleine Küche. Er tauchte ihn in einen Eimer mit kühlem Quellwasser und wrang ihn aus, dann setzte er sich wieder zu Wolfsjunge und legte ihm den Lappen behutsam auf die Stirn. Wolfsjunge rührte sich nicht.
»Aber ...«, sagte Septimus.
»Ich wusste, dass ein Aber von dir kommen würde«, sagte Tante Zelda. Sie lächelte.
»Aber warum glaubst du, dass der Flug-Charm hier ist? Dafür musst du doch einen Grund haben.«
»Nun ja ... Ist dir eigentlich bekannt, dass Hüterinnen nicht heiraten dürfen?«
»Ja.«
»Und das ist auch gut so, denn keine Frau kann vor ihrem Ehemann ein Geheimnis bewahren, und eine Hüterin hat viele Geheimnisse zu bewahren. Aber Broda Pye, eine der ersten Hüterinnen, war heimlich verheiratet – mit dem Letzten Alchimisten. Und ich glaube, dass ihr Mann den Charm hier versteckt hat. Außerdem glaube ich, dass sie einen Teil des Charms für sich behalten hat, wenn man dem Tagebuch, das sie als Hüterin geführt hat, glauben darf. Der Flug-Charm wäre demnach nicht komplett.«
»Aber...«
»Ja? Oh, das sieht viel versprechend aus.« Tante Zelda spähte durch ihre Brille auf eine rauchgeschwärzte Seite Arzneibuch für Hexen und Hexenmeister.
»Aber warum hat er ihn denn nicht einfach in der Burg versteckt?«, sagte Septimus. »Das war doch eine gefährliche Reise mit einem so wertvollen Charm. Waren die Marschen früher nicht noch viel schlimmer, voller fleischfressender Springfische und dunkler Mächte? Man würde doch meinen, dass ihm das Risiko, den Flug-Charm in einem tückischen Wabberschlammloch zu verlieren, zu hoch war, oder nicht?«
Tante Zelda schaute auf und sah Septimus über den Rand ihrer Brille hinweg an. »Viele Wege führen zum Ziel«, sagte sie geheimnisvoll. Und bevor Septimus fragen konnte, was sie damit meinte, warf sie ihm das Arzneibuch für Hexen und Hexenmeister in den Schoß. »Lies das«, sagte sie und deutete auf die versengte Seite. »Ich glaube, damit müsste es klappen. Das ist ein echter Boris-Boil-Umkehrzauber, deshalb enthält er einen kleinen Anteil Schwarze Magie. Was hältst du davon?«
»Schwarzbrandmixtur – ein Katzenkrallentrank«, las Septimus. »Um bei Verdacht auf Verunreinigung durch Schwarze Magie die Wirkung zu erhöhen, empfehlen wir die Beimengung von Boris Boils Gegenmittel Numero III. Vorsicht: NICHT KOCHEN! Komplette Formel siehe Seite XXXV. Sofort anwenden. Exakt fünfzehn Minuten beständig. Höchste Vorsicht bei der Entsorgung!« Septimus stieß einen leisen Pfiff aus. »Das klingt ziemlich kompliziert.«
»Es ist kompliziert«, erwiderte Tante Zelda. »Ich brauche ungefähr eine Stunde, um ihn zu brauen. Aber ich weiß, dass ich alle Zutaten da habe. Ich habe immer eine Flasche von Boils Gift im Geheimschrank, und letztes Jahr auf dem Jahr-und-Tag-Markt habe ich mir etwas Katzenkralle gekauft.« Sie stand auf und verschwand in ihrem Tränkeschrank.
Septimus blieb neben Wolfsjunge sitzen, der weiß und reglos dalag wie ein Stein in der Sonne und innerlich an einem Dunkelfieber verbrannte, und beobachtete nervös die geschlossene Tür zum Tränkeschrank. Er erinnerte sich noch gut an diese Tür von seinem ersten Besuch bei Tante Zelda. Dahinter befand sich ein dunkler Schrank, gefüllt mit allen möglichen kostbaren und hochempfindlichen Zaubertränken aus Tante Zeldas Hexenküche – und die Falltür zu einem Tunnel. Dieser Tunnel hatte früher zu einem alten Tempel geführt, in dem das Drachenboot jahrhundertelang unter der Erde gelegen hatte, bis die Tempelmauern bei der Großen Sturmflut fortgespült worden waren. Jetzt endete der Tunnel im Kohlgarten, und Tante Zelda hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, ihn als Abkürzung zu benutzen.
Jenna erschien in der Tür. Ihre Silhouette wurde vom hellen Tageslicht umrahmt. »Wie geht es ihm?«, fragte sie besorgt.
»Nicht besonders, glaube ich«, antwortete Septimus ruhig. »Tante Zelda braut gerade einen ziemlich komplizierten Trank für ihn.«
Jenna setzte sich neben ihn. »Glaubst du, er wird wieder gesund,
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