Septimus Heap 02 - Flyte
durchdringen. Tragen Sie dieses Buch ständig bei sich.«
»Dank der praktischen Tipps in diesem unschätzbaren Ratgeber habe ich bei Reißzahns Aufzucht bloß einen Finger verloren.«
»Nachdem ich von Skibby geprägt worden war, kehrten mir alle Freunde den Rücken, und ich war drauf und dran, verrückt zu werden, bis ich dieses Buch las. Jetzt darf ich die Anstalt an den Wochenenden verlassen – und wer braucht schon Freunde ?«
»Oh, danke, Tante Zelda«, sagte Septimus niedergeschlagen.
Sie blieben schweigend sitzen, hingen ihren Gedanken nach und lauschten den Geräuschen der Marschen, während die Wärme des Sommertages langsam den Nebel durchdrang und die aktiveren Marschbewohner weckte. Wie Jenna hatte Septimus gelernt, die verschiedenen Geräusche zu erkennen, und er war sich sicher, dass das Glucksen, das er vernahm, von den Saugnäpfen zweier Wassernixen herrührte, das scharfe Schnalzen von einem Sumpfschnapper und das Plätschern von mehreren Aalbabys. Dann hatten sich die letzten Dunstschleier aufgelöst, und ein strahlend blauer Himmel kündigte einen drückend heißen Tag an.
Tante Zelda hob den Blick in das klare Blau. Sie sah irgendwie angespannt aus, wie Septimus fand. Auf ihrem runzligen runden Gesicht, das ihre krausen und leicht zerzausten grauen Haare rahmten, lag ein ängstlicher Ausdruck, und ihre tiefblauen Hexenaugen funkelten, als sie den Blick auf etwas am Himmel richtete. Plötzlich stand sie auf und nahm Septimus an der Hand.
»Schau nicht nach oben«, sagte sie mit leiser Stimme. »Und fang nicht an zu rennen. Geh ganz langsam mit mir wieder hinein.«
In der Hütte angekommen, schloss sie ruhig die schwere Vordertür und lehnte sich dagegen. Sie war ganz blass, und ihre Augen blickten verzweifelt.
»Jenna hat Recht«, flüsterte sie, wie zu sich selbst. »Das Drachenboot muss von hier weg.«
»Wieso? Was ... was hast du gesehen?«, fragte Septimus, obwohl er sich die Antwort denken konnte.
»Simon. Er ist da oben. Kreist wie ein Geier und wartet.«
Septimus schnaufte tief durch, um das mulmige Gefühl in der Magengegend zu vertreiben. »Keine Sorge, Tante Zelda«, sagte er. »In der Burg ist das Drachenboot sicher. Ich werde es dort hinbringen.«
Die Frage war nur, wie.
* 33 *
33. Abflug
M e rrin beobachtete das Drachenboot durch sein Fernrohr. Er hatte das Fernrohr bei einem seiner einsamen Streifzüge durch die Marschen halb begraben in einem Braunlingbau gefunden, Tante Zelda aber nichts davon erzählt. Er hatte gern Geheimnisse vor Tante Zelda, obwohl sie nie sehr lange geheim blieben, weil sie alles herauskriegte. Diesmal aber, so glaubte er, war sie bestimmt noch nicht dahintergekommen, denn er hatte das Glas unter einer Steinplatte auf dem Grashügel neben dem Hundert-Fuß-Loch versteckt. Er wusste, dass nichts passieren konnte, solange Tante Zelda ihn nicht mit dem Fernrohr in der Hand erwischte, denn sie konnte den tiefen Morast, der den Hügel umgab, nicht durchqueren. Nur er war leicht und wendig genug, um über die Trittsteine zu hüpfen, die dicht unter der Oberfläche des Schlamms verborgen lagen.
Merrin vermutete, dass das Fernrohr seinem alten Meister DomDaniel gehört hatte, und er vermutete richtig. Die Schwarze Magie, die ihm noch anhaftete, erinnerte Merrin an alte Zeiten. Es mochten keine glücklichen Zeiten gewesen sein, aber wenigstens waren sie interessant gewesen, und er hatte nicht mit einer lästigen alten Hexe und Bergen von Kohl in einer stinkenden Marsch am Ende der Welt festgesessen. Er hob das Fernrohr ans Auge, wobei er sorgsam darauf achtete, dass die Sonne sich nicht darin spiegelte und seinen Standort verriet, und grinste bei dem Gedanken, dass er noch lebte und DomDaniel nur noch ein Haufen Knochen war, blank genagt von Marschbraunlingen. Geschieht ihm ganz recht, dachte Merrin schadenfroh. Der alte Schwarzkünstler hätte zu ihm, seinem treuen Lehrling, nicht so gemein sein dürfen.
Es war jetzt später Nachmittag, und da tags zuvor Neumond gewesen war, ließ die Springflut die Kanäle in den Marschen randvoll laufen. Merrins Hügel war mittlerweile vollständig von schwarzem, torfigem Wasser umgeben. Das Marschland lag still in der Nachmittagshitze, und Merrin fläzte im Gras auf dem Hügel. Er hatte den ganzen Nachmittag das Kommen und Gehen zwischen Hütte und Drachenboot beobachtet, konnte sich aber keinen Reim darauf machen. Tante Zelda, die sonst immer alles besser wusste, wirkte irgendwie ratlos und strich traurig
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