Septimus Heap 02 - Flyte
uns Wiedersehen.«
Tante Zelda zog sich bis zur Tür der Hütte zurück, und das Drachenboot setzte sich in Bewegung. Die Flut hatte ihren Höhepunkt erreicht, und der Mott war bis zum Rand mit dunkelbraunem brackigem Wasser gefüllt. Das große Boot lag eingezwängt zwischen den mit Gras bewachsenen Ufern, aber es schwamm frei, und unter lautem Knarzen glitt es nach hinten durch den schmalen Kanal, der direkt vor der Hüterhütte ein kurzes Stück schnurgerade war. In der ersten Biegung konnte das Drachenboot nicht mehr weiterfahren und hielt an. Vor ihm lag nur eine kurze Startbahn, und der Drache maß die Strecke bis zur Brücke mit zweifelndem Blick. So wenig Platz hatte er zum Starten noch nie gehabt. Früher, als er mit Hotep-Ra noch über die sieben Ozeane fuhr, hatte er sich immer nur auf dem weiten, leeren Meer in die Lüfte erhoben, meist weil sein Meister sich an den langen Tagen auf See langweilte und einen Tempowechsel wünschte. Aber so etwas wie das hier hatte er noch nie getan.
Mit einiger Mühe spreizte der Drache die gefalteten Flügel über die Ufer hinaus und hob sie empor, bis sie den Mast weit überragten. Die grünen ledernen Schwingen, die zwei heiße Sommer und einen kalten Winter lang an seinen Längsseiten geruht hatten, waren steif und trocken, und als der Drache sie öffnete, erfüllte ein grässliches Knarzen und Ächzen die Luft, dem ein unheilvolles Knistern folgte. Septimus, Nicko und Jenna hielten sich die Ohren zu und beobachteten gespannt die Drachenschwingen, die sich mühsam streckten wie zwei große Hände nach einem langen und tiefen Schlaf. Vor Angst, die Haut zwischen den Fingern des Flügels könnte reißen, hielten alle drei den Atem an, doch als die Falten sich glätteten und die Sonne auf die glänzenden grünen Schuppen schien, konnten sie sehen, dass alles in Ordnung war und dass das Drachenboot seine Schwingen wieder stolz gen Himmel reckte.
Der Drache war bereit.
Er holte tief Luft. Die drei Besatzungsmitglieder spürten ein Zittern, als die großen Flügel zu schlagen begannen und die heiße Luft durcheinander wirbelten, so dass der Wind ihnen das Haar ins Gesicht blies. Bedächtig setzte sich das Boot in Bewegung. Die Flügel schwangen langsam und kraftvoll, senkten sich fast bis zum Boden hinab, stiegen hoch hinauf in die Luft und sammelten Kraft, und dann, mit einem gewaltigen Ruck, schnellte der Drache plötzlich nach vorn.
»Halt!«, schrie Tante Zelda aus vollem Hals. Niemand hörte sie.
Mit wild schlagenden Flügeln, den Kopf gestreckt, die Muskeln am langen Hals gespannt, schoss das Boot in einer Gischtfontäne durch den Mott, und dann, im allerletzten Moment, begleitet von einem lauten Krachen und dem Geräusch splitternden Holzes, erhob es sich in die Luft und riss einen Großteil der Brücke mit.
Das Drachenboot stieg schnell und steil in den Sommerhimmel. Und als die Trümmer der Brücke von ihm abfielen und zu Merrins Entsetzen dicht neben dem Hundert-Fuß-Loch zu Boden stürzten, drehte es ab und flog über die Marram-Marschen in Richtung Fluss.
Endlich schickte sich das Drachenboot an, seine Reise in die Burg zu vollenden.
* 34 *
34. In der Luft
D a s Herz schlug Tante Zelda bis zum Hals, als sie zusah, wie das Drachenboot in den Himmel stieg. Es war ein unglaublicher Anblick. Sie hatte das Boot schon einmal fliegen sehen, als es gegen DomDaniels Schiff, die Vergeltung, kämpfte. Doch damals hatte sie im Schein zuckender Blitze nur kurze Blicke auf das Boot erhascht. Jetzt segelte das Boot in den hellen Abendhimmel. Der goldene Rumpf glänzte im Sonnenlicht, und die mächtigen Flügel schimmerten in grünen und blauen Farbtönen. Der Anblick des Drachenbootes, das sie so viele Jahre gehütet hatte und das jetzt hoch über ihr flog, raubte ihr den Atem, und ihr Magen krampfte sich zusammen.
Doch es gab noch einen anderen, unangenehmen Grund, warum sich ihr Magen zusammenkrampfte. Als das Drachenboot vor dem Abheben durch den Mott gejagt war, hatte sie nämlich beobachtet, wie die verdächtige Wolke plötzlich vorrückte und ein blendend heller Feuerball aus ihr hervorschoss, genau in Richtung Boot. Sie hatte »Halt!« geschrien, doch niemand hatte sie gehört. Aber zum Anhalten war es für das Drachenboot ohnehin zu spät gewesen.
Sie hob die zersplitterten Überreste einer Brückenbohle auf, das einzige Trümmerteil, das auf ihrer Seite des Mott heruntergefallen war. Ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich. Das Holz war
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