Septimus Heap 02 - Flyte
den alten Tempel gebracht hat. Es tut mir wirklich leid, Tante Zelda, aber das waren seine Worte. Er hält die Zeit für gekommen, seine Reise in die Burg zu vollenden.«
»Aber ich bin die Hüterin«, protestierte Tante Zelda. »Es hat hier immer Hüterinnen gegeben ... Ich habe als Hüterin geschworen, ihn jederzeit zu beschützen. Und das werde ich auch tun. Ich kann ihn nicht fortlassen. Ich kann nicht!« Sie stand auf. »Ich geh mir ein Kohlsandwich machen. Sonst noch jemand?«
Jenna und Nicko schüttelten den Kopf, aber Septimus zögerte. Seit er Lehrling war, vermisste er Tante Zeldas Kohlsandwichs. Zu seinem letzten Geburtstag hatte ihm Marcia sogar welche gemacht, aber sie hatten nicht genauso geschmeckt. Doch dann schüttelte auch er den Kopf. Er hatte im Moment keinen Appetit.
Er saß vor dem Kamin auf dem Boden und dachte voller Sorge darüber nach, was das Drachenboot von ihm erwartete – und was Tante Zelda dazu sagen würde, wenn er es tat. Da spürte er, wie ihn etwas zwickte. Das muss Berta sein, dachte er, und hob die Hand, um sie zu verscheuchen. Berta war Tante Zeldas Katze. Sie hatte die Gestalt einer Ente angenommen und die Angewohnheit, jeden zu zwicken, der auf ihrem Platz vor dem Kamin saß. Aber da war keine Spur von Berta.
»Hast du was, Sep?«, fragte Nicko.
»Irgendwas hat mich gezwickt. Aber Berta ist nicht hier ... Autsch! Schon wieder.« Septimus sprang auf. »Au! Da ist etwas in meiner Tasche. Es beißt mich!«
»Iiiih«, kreischte Jenna. »Ich wette, das ist ein Schlammschnapper. Die sind da draußen überall herumgehüpft, als ich auf den Boggart gewartet habe. Schaff ihn fort, Sep. Schmeiß ihn zur Tür raus, schnell!«
»Was ist denn los?«, fragte Tante Zelda, die mit einem dicken Kohlsandwich in der Hand aus der Küche zurückkam.
»Sep hat einen Schlammschnapper in der Tasche«, antwortete Jenna. »Er beißt.«
»Freche kleine Biester«, sagte Tante Zelda. »Bring ihn auf die andere Seite des Mott, Septimus, sonst kommt er wieder ins Haus.«
Septimus öffnete die Tür und stülpte vorsichtig seine Tasche um. Doch zu seiner Überraschung war sie leer. Im nächsten Moment streckte etwas den Kopf aus einem großen Loch in dem Beutel, der an seinem Gürtel hing und der vorher noch kein Loch gehabt hatte. Es biss ihn kräftig in den Finger, und diesmal ließ es nicht mehr los.
»Aua!«, heulte Septimus los, hüpfte im Kreis und wedelte verzweifelt mit der Hand, um das kleine grüne Ding abzuschütteln, das seine messerscharfen Zähne direkt oberhalb des Drachenrings in seinen rechten Zeigefinger geschlagen hatte.
»Ach du mein Schreck!«, rief Tante Zelda. »Was ist denn das?«
»Hilfe!«, schrie Septimus, der nicht hinzusehen wagte. Und dann schnappte das kleine grüne Ding (das noch nicht den Bogen heraushatte, wie man gleichzeitig zubiss und atmete) nach Luft. Es ließ den Finger los, und als Septimus seine Hand noch einmal kräftig schüttelte, wurde es im hohen Bogen durch die Luft geschleudert, knapp an Tante Zeldas Besensammlung vorbei, die an den Deckenbalken hing. Alle sahen zu, wie das Geschöpf auf dem höchsten Punkt seiner Flugbahn zwei kleine Flügel ausbreitete und erfolglos damit wedelte, dann weiter auf Jenna zuflog und schließlich in ihrem Schoß landete.
Jenna saß da und blickte verdutzt auf einen kleinen Babydrachen.
* 32 *
32. Feuerspei
» J e tzt hast du ihn am Hals«, sagte Tante Zelda, als sie Septimus den blutenden Finger verband. »Mit dem Biss hat er dich geprägt, jetzt seid ihr untrennbar verbunden. Er wird eine ziemliche Nervensäge, wenn er größer wird. Du solltest dir ein Buch über Drachenerziehung besorgen. Allerdings weiß ich nicht, wo man so etwas heutzutage bekommt.«
Septimus saß da und betrachtete die zerbrochenen Überreste des Steines, den ihm Jenna während ihres ersten Aufenthalts bei Tante Zelda geschenkt hatte. Sie hatte ihn gefunden, als sie gemeinsam vor dem Jäger flohen – er hatte in dem unterirdischen Gang gelegen, der zu dem Tempel führte, in dem das Drachenboot versteckt war. Septimus hatte den Stein wie einen Schatz gehütet. Er war das erste Geschenk, das er jemals bekommen hatte. Und als er jetzt die dicke grüne Eierschale betrachtete, die zerbrochen in seinen Händen lag, konnte er nicht glauben, dass sein schöner Stein in Wahrheit ein Drachenei gewesen war. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, so fragte er sich, dass so etwas passierte?
Die Wahrscheinlichkeit war verschwindend gering.
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