Septimus Heap 03 - Physic
wie sie paarweise den Saal betraten und dann der eine nach rechts, der andere nach links abbog. Jeder blieb bei einem Gast stehen und goss Soße in dessen wartende Schale. Die beiden Jungen am Ende der Schlange mit den heißesten Soßenschüsseln wurden schnurstracks aufs Podium geschickt. Geschwind, und noch bevor der Soßenjunge bei ihr war, klaubte Jenna das Entlein aus ihrer Schale und schob es in die Tasche ihres Gewands, auf dessen flaumigen Boden das kleine Geschöpf starr vor Angst liegen blieb.
Jenna beobachtete, wie sich die Jungen durch die Menge schlängelten. Die Augen auf die randvollen Schüsseln gerichtet, um ja nichts von der Soße zu verschütten, erklommen sie das Podium, und ein stämmiger Lakai zischte ihnen ins Ohr: »Trödelet nicht und bedienet die Königin und Prinzessin Esmeralda zuvörderst.« Und so kam es, dass Jenna, als sie aufschaute und dem Jungen, der soeben Orangensoße in ihre entleinfreie Schüssel gegossen hatte, höflich dankte, in die gehetzten Augen von Septimus Heap blickte.
Jenna sah weg. Sie konnte es nicht glauben. Der Junge hatte lange zottelige Haare, war schmal im Gesicht und etwas größer, als sie ihn in Erinnerung hatte. Er konnte unmöglich Septimus sein. Nicht in tausend Jahren.
Septimus für seinen Teil hatte erwartet, Prinzessin Esmeralda zu sehen – und deshalb sah er auch Esmeralda. Er ärgerte sich über sich selbst, weil er sie ein paar Sekunden lang für Jenna hielt. Er hatte sich schon einmal täuschen lassen, als Prinzessin Esmeralda bei Marcellus gewohnt hatte, kurz vor ihrem Verschwinden. Das sollte ihm nicht noch einmal passieren. Vorsichtig goss er die Orangensoße in ihre Schüssel, dankbar, dass kein lebendes Entlein darin saß.
Plötzlich ertönte ein lautes Klirren, und ein mehrstimmiger Ruf des Entsetzens mischte sich unter das fröhliche Stimmengewirr aus dem Saal. Beim Anblick des Entchens in Königin Etheldreddas Schale hatte Hugo die Soßenschüssel fallenlassen und der Königin die kochend heiße Orangensoße über den Schoß geschüttet. Etheldredda fuhr kreischend in die Höhe. Blasius Schmalzfass stieß seinen Stuhl zurück, packte Hugo am Hals, riss ihn vom Boden hoch und würgte ihn. »Dummer Lümmel!«, brüllte Schmalzfass. »Dafür wird er büßen. Das soll ihn reuen bis an sein Lebensend – und selbiges ist nicht mehr fern, Bürschlein.«
Hugos Augen weiteten sich vor Angst. Er zappelte hilflos im Griff des Blasius Schmalzfass, dessen Wurstfinger seinen Hals umklammerten. Seine Lippen liefen blau an, und er verdrehte die Augen, bis fast nur noch das Weiße zu sehen war. Da sprang Septimus vor, zerrte mit ungeahnter Kraft an Hugo und schrie: »Lass ihn los, du fettes Scheusal!« Seine Stimme schallte durch den Saal und bewirkte mehr, als er beabsichtigt hatte.
Jenna sprang von ihrem Stuhl auf. Sie hatte ebenso entsetzt wie Septimus zugesehen, wie der Truchsess Hugo würgte, und jetzt hatte sie Gewissheit. Es war Septimus – es war seine Stimme. Sie würde seine Stimme überall erkennen. Er war es!
Zur gleichen Zeit sprang auch der junge Mann auf, der auf der anderen Seite der Königin saß. Auch er erkannte die Stimme seines Lehrlings. Was machte der Junge hier, verkleidet als Palastdiener?
Jenna und Marcellus Pye stießen in dem Gedränge auf dem Podium zusammen. Marcellus rutschte in der Pfütze Orangensoße aus und plumpste zu Boden. Blasius Schmalzfass verlor das Handgemenge mit Septimus und ließ Hugo los, der, einer Ohnmacht nahe, ebenfalls zu Boden sackte. Die von Orangensoße triefende Königin nutzte die Gelegenheit und schlug nach dem Jungen. Sie verfehlte ihn und traf stattdessen Blasius Schmalzfass am Ohr, und zwar so, dass es wehtat. Schmalzfass, der von Natur aus ein gewalttätiger Mensch war, schlug automatisch zurück und verpasste Etheldredda eine Ohrfeige – sehr zur Freude der Bankettgäste, die, ihre Entlein auf halbem Wege zu den aufgesperrten Mündern, gebannt zusahen.
Da begriff Blasius Schmalzfass, was er getan hatte, und wurde ganz weiß, dann aschgrau im Gesicht. Er raffte seine soßenverspritzte Robe hoch und suchte, Tische umwerfend, das Weite, wobei die zehn kostbaren goldenen Bänder hinter ihm herflatterten. Die Türpagen sahen ihn kommen, und im Glauben, dies geschehe bei jedem Bankett, öffneten sie dem flüchtenden Schmalzfass feierlich die Tür und verbeugten sich, als er vorbeischoss. Als sie die Tür wieder schlossen, grinsten sie einander an. Niemand hatte ihnen erzählt, dass es bei
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