Septimus Heap 03 - Physic
kam Leben in Septimus. »Sie kommen«, flüsterte er. »Schnell – in den Abzugsschrank. Wir müssen warten, bis Etheldredda wieder fort ist.«
Septimus öffnete die Tür zu einem großen Schrank in der Wand und blies das Binsenlicht aus. Im matten Schein des Drachenrings zwängten sich alle in das übel riechende Kabuff, und Septimus zog die Tür zu.
»Oh, Mist«, murmelte Septimus und leuchtete mit dem Ring ein Regal an der Rückwand an, in dem etwas lag, das Jenna für ein zusammengerolltes schwarzes Seil hielt. »Ich habe ganz vergessen, dass die Schlange hier drin ist.«
»Eine Schlange?«, flüsterte Jenna.
»Ja. Aber halb so schlimm, sie ist nicht gar so giftig.«
»Wie giftig ist denn ›nicht gar so giftig‹, Sep?«, fragte Nicko, der gegen das dringende Verlangen ankämpfte, die Tür aufzustoßen und hinauszuspringen.
Doch niemand hörte die Antwort auf seine Frage. Königin Etheldredda verhinderte es.
* 41 *
41. Die Phiole
D i e Tür des Abzugsschranks war kaum zu, da trat Königin Etheldreddas spitzer linker Fuß über die Schwelle der Großen Kammer der Alchimie und Heilkunst. Dicht hinter ihr folgte Marcellus Pye, der seiner Mutter misstraute und nicht daran dachte, sie auch nur eine Sekunde in der Kammer alleine zu lassen. Marcellus sah müde und verstrubbelt aus, nachdem er die halbe Nacht den Palast nach seinem Lehrling und dem Mädchen abgesucht hatte, von dem seine Mutter behauptete, es sei Prinzessin Esmeralda. Er trug noch die Amtsrobe des Magisters der Alchimie, die er für das Bankett angelegt hatte – und die nun zu seinem Leidwesen mit Orangensoße bespritzt war. Um den Hals trug er wie immer den Schlüssel zur Tür der Zeit.
Königin Etheldredda rauschte hocherhobenen Hauptes herein, gefolgt von ihrem Aie-Aie, der klapperte, da er auf seinen langen Krallen lief. Sie schaute sich um, den üblichen Ausdruck der Missbilligung auf dem Gesicht. »Fürwahr, Marcellus, eine protzig Kammer. So viel Gold, dass ich kaum weiß, wohin das Aug ich richten soll. Man wähnt sich auf dem Markt der Kesselflicker, wo du, wie mich dünkt, den goldenen Plunder kaufst, mit dem du schepperst wie ein holprig Karren.«
Marcellus Pye quittierte die Beleidigungen seiner Mutter mit gekränkter Miene.
Königin Etheldredda schnaubte verächtlich. »Du bist ein zartes Pflänzchen, Marcellus. Ich möcht jetzo meinen Trank, bevor die Schwermut wieder dich befällt.«
»Nein, Mama«, erwiderte Marcellus entschieden, »du wirst ihn nicht bekommen.«
»Und ob ich ihn bekommen werd, Marcellus. Seh ich ihn nicht in der Vitrin dort stehen und meiner warten?«
»Das ist nicht der deinige, Mama!«
»Mich dünkt, du nimmst es mit der Wahrheit nicht genau, Marcellus. Du warst immer schon ein hinterlistig Kind. Oh doch, ich werd ihn haben, und ich will ihn jetzt.« Etheldreddas Stimme schraubte sich in besonders unangenehme Höhen. Der Aie-Aie klappte das Maul auf, entblößte seinen langen, scharfen Fangzahn und kreischte zustimmend.
Im Abzugsschrank begann Ullr zu wimmern – das Kreischen des Aie-Aies schmerzte fürchterlich in seinen empfindlichen Ohren.
»Du sollst mich nicht zum Besten halten«, sagte Etheldredda scharf zu Marcellus.
»Ich halt dich nicht zum Besten, Mama.«
»Du wimmerst wie ein Kind.«
»Tu ich nicht, Mama«, sagte Marcellus beleidigt.
»Doch, du wimmerst, und das duld ich nicht.« Etheldreddas Stimme erklomm neue Höhen und brachte den Aie-Aie wieder zum Kreischen. Nur hörte er diesmal nicht mehr auf.
Marcellus hielt sich die Ohren zu und schrie: »Um Himmels willen, bring die Kreatur zum Schweigen, eh mir die Ohren platzen!«
Etheldredda dachte gar nicht daran, den Aie-Aie zum Schweigen zu bringen. Marcellus regte sich auf, und das war ihr recht. Der Aie-Aie jaulte weiter wie eine Katze, die in der Falle saß. Und wenn das Gejaule Marcellus schmerzte, so war es für Ullr unerträglich. Er stieß ein Schmerzensgeheul aus und entwand sich Snorris Griff. Der nächste Schrei Etheldreddas war ein Schrei blanken Entsetzens, als die Tür des Abzugsschranks aufflog und ein Panther herausstürzte – das Nackenhaar gesträubt, die Krallen ausgefahren, die Zähne gefletscht.
Doch statt dem Lärm zu entfliehen, geriet der bedauernswerte Ullr mitten in ihn hinein, denn bei seinem Anblick jagte der Aie-Aie Etheldreddas Röcke hinauf und kreischte auf Ohrenhöhe des Panthers weiter. Für die Großkatze war das so, als bohre ihr jemand in die Ohren. In dem verzweifelten Versuch, dem Lärm
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