Septimus Heap 03 - Physic
war wütend. »Wieso tust du das?«, fragte er. »Du Idiot!«
»Selber Idiot«, erwiderte Septimus. »Er hat uns den Schlüssel gerade angeboten. Er will uns gehen lassen – oder wollte es zumindest eben noch.«
Jenna ergriff einen Krug, der auf dem Tisch stand, und goss Marcellus ein Glas Wasser ein. Er nahm es mit zitternder Hand und trank es leer. »Danke, Esmeral... äh ... Jenna. Ich bitt dich, nimm dir selbst, denn mich dünkt, du brauchst es nötiger als ich.« Dann wandte er sich an Septimus. »Nun, Lehrling, wünschest du noch immer, durch die Große Tür zu gehen? Vielleicht findest du in deiner Zeit Freunde, die weniger rabiat synd.«
»Ich wünsche es noch immer«, antwortete Septimus, »und ich wünsche, dass mich meine Freunde begleiten.«
»Soll mir recht seyn, wenn deine Freunde es so wünschen, doch lauern unbekannte Gefahren auf dem Weg durch eine Zeit, die nicht die eigene ist. Keiner, der gegangen, ist je zurückgekehrt. Drum wird diese Tür allzeit bewacht.« Marcellus stand auf und sah Septimus ernst an. »Dann sind wir uns einig?«, fragte er.
»Ja«, antwortete Septimus.
»Ich vertraue dir«, sagte Marcellus, »so wie ich noch nie einem Menschen hab vertraut. Nicht einmal meiner lieben Broda. Ich leg mein Leben in deine Händ, Lehrling.«
Septimus nickte.
»Was geht hier vor, Sep?«, zischte Nicko, dem die ganze Sache nicht gefiel.
»Es geht um die Konjunktion der sieben Planeten«, antwortete Septimus.
»Um was?«
»Marcellus kann keine neue Tinktur herstellen, jedenfalls keine, die wirkt, solange nicht dieselbe Planetenkonjunktion stattfindet.«
»So? Pech für Marcellus, aber was geht das uns an?«
»Sie findet morgen statt.«
»Wie schön für sie.«
»Sie findet morgen statt – in unserer Zeit!«
Nicko zuckte mit den Schultern. Er verstand nicht, was die Planeten mit ihrer Rückkehr zu tun hatten.
»Ich habe versprochen, die Tinktur in unserer Zeit herzustellen, Nicko. Morgen zur Zeit der Konjunktion. Ich kann sie so brauen, dass Marcellus auch in unserer Zeit jung kann sein. Davon bin ich überzeugt.«
»Kommt er etwa mit?«, fragte Nicko entsetzt. »Aber er hat dich entführt!«
»Nein, er kommt nicht mit. Er ist schon dort, nur eben alt und krank. Ich werde versuchen, ihm zu helfen. Und jetzt Schluss mit der Fragerei, Nicko. Willst du denn nicht nach Hause?«
Natürlich wollte er, furchtbar gern sogar – aber nicht ohne Snorri. Er behielt ständig den Eingang zur Großen Kammer im Auge in der Hoffnung, dass sie plötzlich mit fliegenden Haaren und leuchtenden Augen hereinstürmte und er ihr sagen konnte, dass sie nun alle nach Hause zurückkehrten.
Marcellus nahm den Schlüssel vom Hals und prüfte die verbogenen Glieder der Kette, die Nicko beinahe zerbrochen hätte. Dann ging er zu der Tür und begann mit den Vorbereitungen für ihre Öffnung. Die Standbilder steckten die Schwerter in die Scheiden und neigten die Köpfe, als Marcellus den Schlüssel in die entsprechende Vertiefung in der Mitte der Großen Tür legte. Und dann ertönte aus dem Innern der Tür ein Geräusch, bei dem sich Septimus die Nackenhaare sträubten – das Klirren des Riegels, ein Geräusch, dass er zum letzten Mal gehört hatte, als sich die Große Tür vor hundertsiebzig Tagen hinter ihm geschlossen hatte.
Langsam und geräuschlos schwang die Große Tür der Zeit auf. Das Gold funkelte im Kerzenlicht, als sich die Flügel teilten und die dunkle Fläche des Spiegels enthüllten, der geduldig wartend dahinter stand. Septimus hatte ganz vergessen, wie tief der Spiegel aussah, und als er in seine Tiefe blickte, war ihm, als stehe er an einem Abgrund. Ein vertrautes Schwindelgefühl kroch von seinen Füßen herauf und ließ ihn taumeln.
»Leb wohl, Septimus«, sagte Marcellus, »und hab Dank.«
»Und ich danke Ihnen für alles, was Sie mich über die Heilkunst gelehrt haben«, antwortete Septimus.
»So nimm denn dies«, sagte Marcellus und reichte dem überraschten Septimus den Schlüssel. »Damit lasset sich der Spiegel am End der Lapislazulitreppe öffnen. Dort müsset ihr hinaus. Behüt ihn gut, ich werd mir einen neuen machen. Und deine Medizintruh stell ich sub rosa in den Kleiderschrank oben auf der Trepp zum Zaubererturm. Verwend sie gut, du hast die Anlagen zu einem großen Physikus.«
»Das werde ich«, versprach Septimus. Er nahm den Schlüssel und hängte ihn sich um den Hals. Er fühlte sich schwer an und war noch warm von Marcellus’ Berührung. »Aber wie«, fragte er,
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