Septimus Heap 03 - Physic
Septimus. »Er findet immer einen.« Er gab sich zuversichtlicher, als er in Wirklichkeit war, denn es war noch gar nicht lange her, da hatte Nicko eine Ameise für einen Fußpfad gehalten und sie im Wald in die Irre geführt.
»Und Snorri ...«, sagte Jenna. »Ich habe Snorri wirklich gemocht.«
»Ja. Nicko auch. Das war ja das Problem.« Septimus klang sauer.
Die ganze Zeit über gab Ullr keinen Laut von sich. Der kleine rote Kater mit der schwarzen Schwanzspitze lag ruhig in Jennas Armen, doch sein Geist war weit weg – bei seiner Herrin in einer fernen Zeit.
Fünfhundert Jahre entfernt saß Snorri Snorrelssen verloren und traurig am Ufer eines Flusses. Doch als sie in die Ferne blickte, sah sie den Altweg und die lange Reihe der Kugeln mit dem Ewigen Feuer, und obwohl sie nicht begriff, was sie sah, wusste sie, dass sie mit Ullrs Augen sah.
Es war bitterkalt im Altweg. Jenna und Septimus zogen ihre Unterkochmäntel enger, doch noch immer kroch die Kälte darunter und brachte sie zum Zittern. Der raue Stoff der Mäntel schleifte am glatten Fußboden, und leises Rascheln erfüllte die Luft wie das Schlagen von Fledermausflügeln in der Dämmerung.
Marcellus erwartete sie am Fuß der Lapislazulitreppe. Er saß zusammengesackt auf dem Stein und hatte die tief liegenden Augen geschlossen. Jenna zuckte beim Anblick des uralten Mannes zusammen und drückte Ullr fest an sich – so fest, dass weit entfernt Snorri aufstöhnte, weil sie in der Rippengegend plötzlich einen Schmerz verspürte.
»Er ... er ist doch nicht tot, oder?«, flüsterte Jenna.
»Noch nicht«, antwortete eine zittrige Stimme. »Obwohl da kein großer Unterschied besteht, das ist wohl wahr.« Der alte Marcellus leckte sich die trockenen Lippen und starrte Septimus an, als versuche er sich an etwas zu erinnern. »Bist du der Junge mit der Tinktur?«, fragte er. Septimus glaubte, etwas vom Ausdruck des jungen Marcellus in diesen wässrigen Augen wiederzuerkennen.
»Ich werde sie morgen brauen, wenn die Planetenkonjunktion stattfindet«, sagte Septimus. »Wissen Sie nicht mehr? Sie haben mir gesagt, dass ich sie in einer Schatulle mit der Sonne darauf in den Burggraben werfen soll.«
Der alte Mann schnaubte verächtlich. »Was geht mich die Sonne an?«
»Ich werde die Tinktur in die Schatulle legen, wie ich es versprochen habe«, sprach Septimus geduldig weiter. »Und dann werden Sie mir zum Zeichen, dass Sie die Tinktur bekommen haben, den Flug-Charm zurückgeben. Erinnern Sie sich?«
Marcellus lächelte, und seine spärlichen Zähne glänzten rot im Flammenschein der Kugeln. »Jetzt entsinne ich mich wieder, Septimus. Ich vergesse nie ein Versprechen, das ich gegeben habe. Bist du Angler?«
Septimus schüttelte den Kopf.
»Mich dünkt, dann wirst du einer werden.« Marcellus kicherte.
»Auf Wiedersehen, Marcellus«, sagte Septimus.
»Leb wohl, Septimus, du bist ein trefflicher Lehrling gewest. Lebt wohl, meine liebe ... Esmeralda.« Der alte Mann schloss wieder die Augen.
»Auf Wiedersehen, Marcellus«, sagte Jenna.
Sie stiegen die lange, gewundene Lapislazulitreppe hinauf, bis sie direkt vor dem Spiegel standen. Septimus dachte an das letzte Mal, als er hier gestanden hatte, und konnte es kaum glauben, dass er diesmal imstande sein würde, durch ihn hindurchzugehen. Er betrachtete den Spiegel und zögerte, den Schlüssel in die Vertiefung darüber zu legen. Er sah, dass dieser Spiegel nicht der gleiche war wie der wahre Zeitspiegel. Es fehlten das berauschende Gefühl der Tiefe und die verschlungenen, wirbelnden Muster der Zeit. Dieser Spiegel hier sah blind und leer aus und schien nicht mehr zu sein als eine Glasscheibe mit einer armseligen Silberschicht.
»Zeit, nach Hause zu gehen«, flüsterte Septimus.
»Dann ... dann gehen wir also einfach da durch und kommen im Ankleidezimmer heraus?«, fragte Jenna.
»Ich nehme es an. Los, gehen wir.« Septimus wollte sie bei der Hand nehmen, doch sie sträubte sich und blickte sich ein letztes Mal um. »Nicko ist nicht durchgekommen, Jenna«, sagte er leise. »Ich habe die ganze Zeit gehorcht. Er ist nicht gekommen. Es gibt keinen menschlichen Herzschlag im Altweg außer deinem und meinem und – alle fünf Minuten – dem von Marcellus.«
Er legte vorsichtig die Hand auf den Spiegel. Sie durchdrang ihn so leicht, als stecke er sie in eine Schüssel mit kaltem Wasser. »Komm, Jenna«, sagte er sanft.
Jenna nahm seine Hand und folgte ihm in den Spiegel – und zurück in die Welt, in
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