Septimus Heap 03 - Physic
alten Häusern, in denen Tuchhändlerfamilien wohnten. Ein paar Kerzen flackerten in den Schaufenstern, in denen eine sonderbare Vielfalt von Vorhängen und Stoffresten ausgestellt war, doch die Türen waren verschlossen und verriegelt, und der Hof selbst lag so still da, dass man das Ticken der großen Tuchhändleruhr im Glockenturm über dem Haus in der Mitte hören konnte.
»Sie will, dass ich mich heute Nacht in der Schlangenhelling mit Marcellus Pye treffe«, sagte Septimus im selben Moment, als die Tuchhändleruhr zehn zu schlagen begann und der blecherne Klang ihrer Glocke über den Hof hallte. Bim, bim, bim ...
»Du wirst natürlich nicht hingehen«, erklärte Alther, sowie die Uhr verstummt war und die ulkigen Zinnfiguren ihre Kabinettstückchen vorgeführt hatten und hintereinander wieder ins Gehäuse marschierten. »Sie ist übergeschnappt, Septimus, völlig übergeschnappt. Ich für meinen Teil habe den Geist Marcellus Pyes nie gesehen. Dummerweise werden Geister bisweilen größenwahnsinnig. Gerade königlichen Geistern passiert das häufiger. Sie bilden sich ein, sie könnten die Lebenden beeinflussen. Und Dinge bewegen, so wie früher, als sie noch am Leben waren. Aber natürlich gehen sie den Leuten damit nur auf die Nerven. Man wird sie kaum noch los, und das ist das Unangenehme dabei. Am besten, man beachtet sie gar nicht und hofft darauf, dass sie wieder verschwinden. Und genau das solltest du jetzt tun, mein Junge. Ich nehme an, du weißt, wer dieser Pye war?«
»Ja«, antwortete Septimus.
Alther nickte beifällig. »Hab ich mir gedacht. Es ist gut, wenn du Bücher zu diesem Thema liest. Aber Marcia sagst du besser nichts davon. Sie hat etwas gegen Alchimie.«
»Ich weiß«, seufzte Septimus.
»Er war aber nicht nur Alchimist, dieser Marcellus«, fuhr Alther fort. »Er war auch ein guter Arzt und Physikus. Leider ist uns manches verloren gegangen, was er damals wusste. Wir könnten es jetzt gut gebrauchen.«
Sie hasteten nun durch den Scheckenweg, der zur Zaubererallee führte. Der Scheckenweg war eine schmale Gasse, die hohe Häuser mit Trockenböden für Garne und Stoffe säumten. Um diese nächtliche Stunde war es hier dunkel und still, und ein unangenehmer Geruch nach Färbemitteln hing in der unbewegten Luft. Septimus war so sehr damit beschäftigt, sich die Nase zuzuhalten und durch den Mund zu atmen, dass er nicht hörte, wie ein Stück voraus Krallen scharrten und ein nadelspitzer Zahn beißbereit klapperte.
Weder er noch Alther bemerkten die zwei roten Knopfaugen, die aus einem Abflussrohr auftauchten und in das Licht der Fackel blinzelten, die an dem silbernen Pfahl vor dem Haus Nummer Dreizehn in der Zaubererallee brannte. Dafür aber hörten sie ein lautes und eindringliches Geräusch, das von den Wänden widerhallte: Schritte, die eilig näher kamen.
Alther tauschte mit Septimus einen Blick und deutete in einen schmalen Durchgang zwischen zwei Trockenhäusern. Im Nu waren er und Septimus darin verschwunden und lauschten den nahenden Schritten.
»Wahrscheinlich ein Dieb, der nichts Gutes im Schilde führt«, flüsterte Alther. »Aber das will ich ihm nicht geraten haben, ich bin heute Abend nämlich nicht in bester Stimmung.«
Septimus antwortete nicht. Die Schritte waren langsamer geworden und klangen nun, da sie sich ihrem Versteck näherten, fast zögerlich. Dann verstummten sie ganz.
Da sprang Septimus zu Althers Entsetzen in die Gasse hinaus.
Sarah Heap stieß einen gellenden Schrei aus und ließ ihren Korb fallen. Flaschen und Einmachgläser purzelten heraus und rollten klirrend nach allen Seiten.
»Mum!«, rief Septimus. »Ich bin es nur, und Alther ist bei mir.«
Sarah Heap starrte ihn ungläubig an. »Was um alles in der Welt tust du denn hier? Also wirklich, Septimus, mir ist fast das Herz stehen geblieben. Und wie kommt Alther dazu, dich so spät noch durch diese gespenstischen Gassen zu führen?«
»Ist schon in Ordnung, Mum«, erklärte Septimus, während er Flaschen und Gläser einsammelte und in den Korb zurücklegte. »Wir sind auf dem Weg nach Hause. Wir waren nur in der Schenke Zum Loch in der Mauer.«
»In einer Schenke?« Sarah Heap blickte schockiert. »Alther war mit dir in einer Schenke? Mitten in der Nacht? Alther ...« Sie wandte sich an den Geist, der soeben aus dem Durchgang geschwebt kam und sich offenbar damit abgefunden hatte, dass der Abend immer schlimmer wurde. »... Alther, was haben Sie sich nur dabei gedacht? Noch dazu, wo doch diese
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