Septimus Heap 03 - Physic
Seuche wütet?«
Alther seufzte. »Ich erkläre es Ihnen morgen, Sarah. Obwohl ich Sie dasselbe fragen könnte. Was tun Sie hier eigentlich? Wieso schleichen Sie mit ihren Tränken durch eine dunkle Seitengasse?«
Sarah antwortete nicht. Sie war zu sehr damit beschäftigt, nachzusehen, ob eine der Flaschen zerbrochen war. »Danke, Septimus«, sagte sie, als er ihr die letzte reichte.
»Aber wo willst du denn hin?«, fragte Septimus.
»Wo ich hin will?« Sarah Heap sah ihn groß an, als sei sie gerade unsanft auf der Erde gelandet. »Ach du liebes Bisschen! Ich komme zu spät. Ich möchte Nicko nicht warten lassen ...«
»Nicko?«, fragte Septimus verwirrt.
»Sarah«, fragte Alther, »was geht hier vor?«
»Ich bin ins Spital gerufen worden, Alther. Sie müssen mir die letzte Botenratte in der Burg geschickt haben. Heute Abend sind so viele Kranke eingeliefert worden, dass ihnen die Arbeit über den Kopf wächst. Nicko rudert mich hinüber. Jetzt muss ich aber weiter.«
»Aber nicht allein«, sagte Alther. »Wir kommen mit.«
Sarah holte schon Luft, um Einspruch zu erheben, besann sich dann aber anders. »Danke, Alther. Ich ... um Himmels willen!« Sarah unterdrückte einen Schrei. »Seht da ...«, flüsterte sie und deutete in die Dunkelheit.
Septimus blickte in die Richtung, in die ihr Finger zeigte. Zunächst konnte er nichts erkennen, doch dann, als er genauer hinsah, bemerkte er sie – zwei rote Augen, die von einer Seite auf die andere huschten und immer näher kamen. Im ersten Moment dachte er, es sei eine Ratte, aber die Art, wie die Augen nebeneinandersaßen, wie sie beide nach vorn sahen, passte irgendwie nicht zu einer Ratte. Er fasste in die Tasche, zog einen Stein heraus und warf ihn nach den roten Punkten. Ein schrilles Heulen ertönte, gefolgt vom Geräusch raschelnder Blätter, und die Augen verschwanden in der Nacht.
»Komm, Sarah«, sagte Alther. »Wir bringen dich zur Bootswerft.«
Nicko wartete nervös neben einem Ruderboot, das an der Anlegestelle von Jannit Maartens Bootswerft festgemacht war. Jannit hatte Nicko unlängst als Lehrling eingestellt, und jetzt schlief er in einem Schuppen hinter ihrer baufälligen Hütte. Vor einer Stunde war er todmüde ins Bett gefallen, nachdem er Rupert Gringe den ganzen Tag dabei geholfen hatte, das große Steuerruder des Porter Lastschiffs zu reparieren. Er war gerade erst eingeschlafen, als ein hartnäckiges Klopfen am Fenster ihn unsanft weckte – es war die Botenratte, die Sarah zu ihm geschickt hatte.
Rasch hatte Nicko das Ruderboot klargemacht, mit dem Jannit gelegentlich Leute über den Fluss setzte. Nur leider hatte er dabei Jannit geweckt, die selbst im Schlaf jedes ungewöhnliche Geräusch auf der Werft hörte. Jannit war gerade erst wieder murrend ins Bett gegangen, da wurde sie erneut aus dem Schlaf gerissen, diesmal von Sarah, die die Flaschen in ihrem Korb zum Klirren brachte, als sie über das Werftgelände hastete.
Septimus hielt zusammen mit Nicko das Boot fest, während Sarah einstieg. »Du sorgst dafür, dass Mum wohlbehalten im Spital ankommt, klar?«, sagte er zu Nicko und blickte argwöhnisch auf den Burggraben hinaus, der hier ziemlich breit und tief war, und hinüber zu den trüben Lichtern des Spitals, das in einiger Entfernung halb versteckt unter Bäumen am Waldrand stand. Der Weg vom Landungssteg zum Spital war in der Nacht gefährlich.
»Was denkst du denn?«, erwiderte Nicko, hob zwei lange Ruder auf und wartete, bis Sarah saß.
»Keine Sorge«, sagte Alther zu Septimus, »ich werde Sarah zur Spitaltür begleiten. Wenn es darauf ankommt, kann ich es noch mit der einen oder anderen Wolverine aufnehmen. Ich muss den Weg übers Nordtor nehmen, aber ich werde drüben auf sie warten.«
»Bis später, Sep«, sagte Nicko und legte sich in die Riemen.
»Kommt nicht in Frage, Nicko«, hörte Septimus Sarah schimpfen. »Septimus kehrt jetzt schnurstracks in den Zaubererturm zurück.«
Septimus sah Alther nach, wie er zum Nordtor flog, und plötzlich überkam ihn ein berauschendes Gefühl der Freiheit. Er konnte überall hingehen, tun, was er wollte. Niemand konnte ihn daran hindern. Natürlich sollte er in den Zaubererturm zurückkehren, aber er war überhaupt nicht müde. Er fühlte eine innere Unruhe, als sei die Nacht noch nicht zu Ende. Und dann begriff er, warum. Königin Etheldredda Worte kamen ihm wieder in den Sinn: »Marcellus Pye, in der Schlangenhelling, Schlag Mitternacht. Sei pünktlich.«
Plötzlich wusste
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