Septimus Heap 03 - Physic
er ein ungeduldiges Rucken und Ziehen, und seine Nase drückte gegen die Wand – nein, sie war in der Wand. Gleich darauf ein zweiter entschlossener Ruck, und er stand im Königinnengemach.
Im ersten Moment konnte er wenig erkennen, denn der Raum hatte keine Fenster und wurde nur von einem kleinen Kohlefeuer erhellt. Bald jedoch hatten sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt, und er wunderte sich. Das Gemach war viel kleiner, als er erwartet hatte. Ja, sogar ziemlich beengt. Und spärlich eingerichtet. Ein einsamer Ohrensessel und ein abgetretener Teppich vor dem Kamin. Das einzig Interessante, das ihm ins Auge fiel, war ein alter Wandschrank in der Ecke, auf dem in vertrauten goldenen Lettern UNBESTÄNDIGE TRÄNKE UND SPEZIALGIFTE stand. Er glich dem Schrank, den Tante Zelda in ihrer Hütte in den Marram-Marschen hatte, wie ein Ei dem anderen, und urplötzlich bekam Septimus Appetit auf eins von Tante Zeldas Kohlsandwichs.
Weder Septimus noch Jenna konnten sehen, dass in dem Sessel vor dem Kamin jemand saß – der Geist einer jungen Frau. Sie hatte sich den Besuchern zugewandt und betrachtete Jenna mit gespannter Aufmerksamkeit. Auf ihrem langen dunklen Haar saß ein goldenes Diadem, identisch mit dem, das Jenna trug, und ihre rote und goldene Königinnenrobe war über dem Herzen voller Blutflecken. Nach einer Weile richtete sie ihren Blick auf Septimus, musterte seine grüne Lehrlingstracht, seine leuchtend grünen Augen und ganz besonders seinen silbernen Gürtel, den Gürtel des Außergewöhnlichen Lehrlings. Dann lehnte sie sich wieder zufrieden in ihrem Sessel zurück. Der Junge war ein würdiger Begleiter für ihre Tochter.
»Hier drin ist es nicht ganz geheuer«, flüsterte Septimus und betrachtete den scheinbar leeren Stuhl.
»Ich weiß«, erwiderte Jenna mit gedämpfter Stimme. In Erinnerung an Etheldreddas Worte schaute sie sich im Gemach um, halb in der Hoffnung, den Geist ihrer Mutter zu entdecken. Sie glaubte in dem Ohrensessel einen schwachen Schimmer auszumachen, doch als sie genauer hinsah, war da nichts. Und dennoch ... Jenna verbannte den Gedanken an ihre Mutter aus ihrem Kopf.
»Komm mit!«, forderte sie Septimus auf.
»Wohin denn?«
»In Tante Zeldas Schrank.« Sie öffnete die Schranktür und wartete auf ihn.
»Oh, toll, du bringst mich zu Tante Zelda?«
»Hör doch endlich mit der Fragerei auf«, erwiderte sie etwas schroff. Septimus blickte verdutzt, folgte ihr aber in den Schrank, und Jenna schloss die Tür hinter ihnen. Die junge Frau im Sessel lächelte, denn sie sah mit Freuden, dass ihre Tochter den Königinnenweg benutzte, um der Hüterin in den Marram-Marschen einen Besuch abzustatten. Jenna würde eine gute Königin werden, dachte sie. Wenn die Zeit gekommen war.
Was ihre Mutter freilich nicht wusste: Jenna wollte gar nicht in die Marram-Marschen. Sowie die Tür hinter ihnen zu war, flüsterte sie: »Wir gehen nicht zu Tante Zelda.«
»Ach.« Septimus klang enttäuscht. Und dann fragte er: »Warum flüsterst du?«
»Pst! Ich weiß auch nicht. Hier muss irgendwo eine Falltür sein. Siehst du sie, Sep?«
»Du weißt also gar nicht, wohin wir gehen?«, fragte er.
»Nein. Könntest du mit deinem Ring mal hier leuchten? Sie müsste eigentlich an derselben Stelle sein wie bei Tante Zelda.«
»Du tust sehr geheimnisvoll, Jenna«, sagte Septimus und leuchtete mit dem Drachenring den Boden ab. Die Falltür im königlichen Wandschrank für unbeständige Tränke und Spezialgifte befand sich tatsächlich an derselben Stelle wie die in Tante Zeldas Schrank. Jenna fasste nach dem ringförmigen Griff aus Gold (bei Tante Zelda war er nur aus Messing) und zog. Die Falltür öffnete sich leicht und geräuschlos, und Jenna und Septimus spähten misstrauisch durch die Luke.
»Was nun?«, flüsterte Septimus.
»Wir müssen da runter«, antwortete Jenna.
»Wohin genau?«, fragte Septimus, dem unbehaglich zumute wurde.
»Ins Ankleidezimmer. Das ist der Raum da unten. Soll ich vorausgehen?«
»Nein«, sagte Septimus, »lass mich zuerst. Nur für den Fall ... außerdem kann mir der Ring leuchten.« Er ließ sich durch die Falltür hinab, doch statt auf eine wacklige alte Holzleiter wie bei Tante Zelda gelangte er auf eine schöne silberne Treppe mit filigranen Stufen und glänzendem Mahagonigeländer auf beiden Seiten. Er stieg rückwärts hinunter, denn die Treppe war so steil wie eine Schiffsleiter. »Alles in Ordnung, glaube ich!«, rief er nach oben.
Als Jennas Stiefel in der
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