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Septimus Heap 03 - Physic

Titel: Septimus Heap 03 - Physic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Sage
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außer hinterrücks über Marcellus herzufallen und sie ihm wegzunehmen – woran in Anbetracht ihres Größenunterschieds nicht zu denken war –, sah er keine Möglichkeit, sie in seinen Besitz zu bringen. Marcellus legte die goldene Scheibe in eine runde Vertiefung vorn an der Truhe, und der Deckel hob sich wie von Geisterhand.
    Septimus nahm einen dünnen Glasstab aus der Truhe. Der Stab war gewissermaßen seine Wünschelrute, die ihm, wenn er sie in eine Flüssigkeit tauchte, verriet, ob die Substanz vollständig war, wie es Marcellus nannte. Dann öffnete er die Tür des Glasschranks und holte die Tinktur heraus. Er entkorkte die Phiole, tauchte den Stab in die Flüssigkeit, drehte ihn siebenmal und hielt ihn schließlich an eine brennende Kerze.
    »Was meinest du, Lehrling?«, fragte Marcellus nervös. »Synd wir bereit für das Gift?«
    Septimus schüttelte den Kopf.
    »Wann, glaubst du, möcht es so weit sein?«, fragte Marcellus.
    Septimus antwortete nicht. Obwohl er sich an die merkwürdig umständliche Art zu sprechen, die Marcellus und allen anderen in dieser Zeit zu eigen war, mittlerweile gewöhnt hatte, fiel es ihm schwer, selbst so zu sprechen. Wenn er etwas sagte, sahen ihn die Leute immer verwirrt an. Wenn sie ein paar Sekunden überlegt hatten, dämmerte ihnen, was er gemeint hatte, aber die Art, wie er es gesagt hatte, fanden sie doch sehr befremdlich. Septimus konnte nicht mehr sagen, wie oft er schon gefragt worden war, woher er komme. Er wusste nie, was er darauf antworten sollte, und eigentlich wollte er auch gar nicht darüber nachdenken. Das Schlimmste für ihn war, dass er seinen Akzent und Tonfall mittlerweile selbst komisch fand, wenn er mal etwas sagte, was freilich ganz selten vorkam. Es war, als wüsste er nicht mehr, wer er eigentlich war.
    Normalerweise störte es Marcellus nicht, dass sein Lehrling so wortkarg war – zumal die Klapprigkeit des alten Marcellus anscheinend das einzige Thema war, über das er bereitwillig sprach. Doch an manchen Tagen ging es ihm auf die Nerven. Und heute war so ein Tag. »Ich bitt dich, Lehrling, sprich!«, flehte er.
    In Wahrheit war die Tinktur schon fast fertig gewesen, doch zu dem Zeitpunkt hatte Septimus noch nicht die Fähigkeit besessen, es zu erkennen. Und dann war sie, wie es bei komplizierten Tinkturen und Tränken häufig vorkommt, rasch unbeständig geworden, und Septimus hatte sie in den folgenden Monaten geduldig wieder zur Reife bringen müssen, denn er wusste, dass Marcellus glaubte, seine Zukunft hänge davon ab.
    Er konnte Marcellus Pye einfach nicht hassen, so sehr er es versuchte. Gewiss, der Alchimist hatte ihn aus seiner Zeit entführt und hielt ihn gegen seinen Willen hier fest. Aber er war stets freundlich zu ihm und hatte ihm, was noch wichtiger war, alles beigebracht, was er über die Heilkunst wissen wollte – und mehr.
    »Lehrling«, sagte Marcellus ruhig, »du wissest, in der Sach geht’s für mich um Leben und Tod.«
    Septimus nickte.
    »Wie dir wohl bekannt, ist dies Quäntchen alles, was von der Tinktur mir geblieben. Mehr ist nicht da und mehr vermag ich nicht zu machen, dieweil eine solche Planetenkonjunktion nimmer stattfinden wird.«
    Septimus nickte wieder.
    »Drum bitt ich dich, denk nach und gib Antwort, denn dies ist mein einzig Hoffnung, mein schröcklich Schicksal abzuwenden. Wenn ich von der Tinktur kann trinken, die du gebrauet, hoff ich, dass ich nie so alt und hässlich werd, wie ich mich selbst gesehen.«
    Septimus verstand nicht, wie Marcellus daran etwas ändern wollte. Er hatte ihn bereits als alten, hinfälligen Greis gesehen, und das würde er auch werden. Aber Marcellus klammerte sich fest entschlossen an diese eine Hoffnung. »Drum sag mir, ich bitt dich, wann wir das Gift sollen beimengen, Lehrling«, flehte Marcellus. »Denn ich fürcht, die Tinktur wird in allernächster Zeit verfallen.«
    Dann sprach Septimus. Nur kurz, aber er sprach.
    »Bald.«
    »Bald? Wie bald? Morgen in der Früh? Morgen am Abend?«
    Septimus schüttelte wieder den Kopf.
    »Wann?«, fragte Marcellus aufgebracht. »Wann?«
    »In exakt neunundvierzig Stunden. Keine Minute früher.«
    Marcellus fiel ein Stein vom Herzen. Zwei Tage. Er wartete schon so lange, da hielt er es die zwei Tage auch noch aus. Er sah zu, wie Septimus die Phiole vorsichtig in den Glasschrank zurückstellte und behutsam die Tür schloss. Marcellus atmete durch und lächelte.
    Erleichtert, was die Tinktur anging, nahm er sich nun die Zeit, seinen

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